Aus dem Leben eines Abenteurers
 
Tag 10: Refuge de Manganu – Castel de Vergio

Tag 10: Refuge de Manganu – Castel de Vergio

Die Etappe zum Castel de Vergio wurde mit einer Entfernung von 15,2 km angegeben, was mir aufgrund der Länge schon etwas Sorgen bereitete. Nachdem ich aber das Höhenprofil betrachtet hatte und wusste, dass es nur 435 m bergauf und 615 m bergab gehen sollte, legte sich meine Sorge direkt wieder. Auch die angegebene Laufzeit von nur 4:55 Stunden ließ vermuten, dass die Strecke zwar lang aber nicht anspruchsvoll werden würde.

Der Morgen am Refuge de Manganu

Da ich die Hitze im Süden gelassen hatte, bestand keine Notwendigkeit mehr mitten in der Nacht aufzustehen um im kühlen Morgengrauen loszuwandern. Daher klingelte mein Wecker heute erst 6:30 Uhr. Wirklich ausschlafen konnte ich trotzdem nicht, da ein Großteil der Leute auf dem Zeltplatz gegen 5:00 Uhr ihre Zelte abbaute. Warum konnte ich nicht wirklich erschließen. Als ich dann irgendwann aus meinem Zelt kroch, war der gestern noch so überfüllte Zeltplatz fast menschenleer. Da ich mich gestern bereits mit Flo abgesprochen hatte und wir eine weitere Etappe zusammen laufen wollten, stand sein Zelt auch noch da. Gegen 7:00 Uhr brachen wir dann auf. Was für ein Luxus.

Auf dem Weg zum Castel de Vergio

Trotz der fortgeschrittenen Uhrzeit war es immer noch ziemlich dunkel. Schuld waren die vielen tief hängenden Wolken. Auch der Wind leistete uns wieder Gesellschaft.

Auf dem Weg zum Castel de Vergio
Auf dem Weg zum Castel de Vergio

Glücklicherweise war der Weg tatsächlich sehr einfach, so dass wir entspannt laufen konnten. Zudem erfreute ich mich an der Natur. Denn nachdem mich die letzten Etappen ausschließlich durch die Berge geführt haben und ich somit abertausende von Steinen und Geröllfeldern gesehen habe, führte der heutige Weg durch weite Wiesen und kleine Wälder. Wir liefen dann einen kleinen Umweg um bei der Bergerie de Vaccaghia zu frühstücken. Als wir dort ankamen mussten wir allerdings feststellen, dass die Bergerie geschlossen war und wir nichts zum Frühstück kaufen konnten. Ich würgte mir also einen Energieriegel hinter und weiter ging es. Der Weg führte uns dann über Weideflächen die von wilden Pferden beheimatet waren.

Das Phänomen Pozzines

Etwas später durfte ich das Phänomen Pozzines bestaunen. Hierbei handelt es sich um Moorwiesenlandschaften im Hochgebirge, die sich auf wasserundurchlässigen Untergründen aus Schwemmmaterial bilden. Die aus Gräsern und Moosen bestehende Oberfläche war von diversen Löchern übersät, in denen Wasser stand. Ein komischer Anblick. Trotz der vielen Löcher und Kanäle war das Erdreich aber ziemlich fest.

Lac de Nino und viele Wolken

Lac de Nino
Lac de Nino

Nur wenige Minuten später kamen wir am Lac de Nino an, bei dem es sich um den zweitgrößten See Korsikas handelt. Angeblich soll er 5-6 Monate im Jahr zugefroren sein. Als wir vor dem See standen schien es eher, als ob er ziemlich viel Wasser verloren hätte. Nichtsdestotrotz war der Anblick genial, denn auf dem See waberten kleine Wolken umher. Das habe ich natürlich sofort auf einigen Fotos festgehalten. Wüsste ich es nicht besser, dann hätte ich gesagt es handelt sich bei den Fotos um schlechte Fotomontagen. Die Berge um den Lac de Nino herum verschwanden bereits in dunklen Wolken. Ich hoffte, dass wir diese Berge nicht überqueren mussten. Denn mir war klar, dass es dann sehr ungemütlich werden würde.

Wie nicht anders zu erwarten, führte uns der Weg natürlich direkt in die Wolken. Die enorme Feuchtigkeit, die deutlich kältere Temperatur in den Wolken und der starke Wind sorgten für ein wirklich eisiges Erlebnis. Ich zog mir meine Kapuze bis tief ins Gesicht um mich bestmöglich zu schützen. Mein Hände waren relativ schnell eiskalt und schmerzten. Nachdem ich mich im Süden jeden Tag gefragt hatte, warum ich überhaupt eine Softshelljacke mitgenommen habe, war ich jetzt überglücklich, ein einigermaßen schützendes Kleidungsstück zu haben. In diesem Moment wünschte ich mir sogar ein paar Handschuhe. Zum Glück hatten wir die Wolkendecke nach gut 30 Minuten durchquert.

Das Wetter wurde wieder besser aber der starke Wind blieb. Etwas später kamen wir dann an Bäumen vorbei, die derb vom Wind verbogen waren. Da wurde mir klar, dass der starke Wind heute wohl keine Ausnahme ist. Vom Wind verbogene Bäume habe ich ja schon oft gesehen aber der folgende Baum war echt die Krönung.

Vom Wind verbogener Baum
Vom Wind verbogener Baum

Der restliche Weg war dann wirklich entspannt da es die nächsten Kilometer lediglich leicht bergab ging. Somit war es sogar möglich sich zu unterhalten. Wir diskutierten ein wenig die politischen und kulturellen Unterschiede zwischen Frankreich und Deutschland. Die Zeit verging so enorm schnell, so dass wir gegen 12:00 das Castel de Vergio erreichten. Auch heute lagen wir wieder super in der angegebenen Zeit.

Castel de Vergio

Am Castel de Vergio steht ein Hotel an einer gut asphaltierten Straße. Ein Zeichen von Zivilisation! Flo und ich gönnten uns dann im angrenzenden Hotelrestaurant ein echtes Mittagessen. Für mich gab es als erstes ein Eis. Danach ging es weiter mit einem Hackfleischsteak mit Pommes. Interessanterweise wurden die Pommes mit Senf serviert – scheint man wohl so in Frankreich zu essen. Nachdem ich das ganze Brot aus dem Brotkorb aufgegessen hatte, bestellte ich mir noch ein mit Käse vollgestopftes Sandwich in Form eines ganzen Baguettes. Etwas später gönnte ich mir dann noch eine 300 g Prinzenrolle und schaufelte diese ebenfalls hinter.

Flo grübelte, ob er noch eine Etappe ranhängen sollte. Für mich stand allerdings fest, dass ich mich keinen Meter mehr bewegen werde. Einerseits waren meine Füße von der langen Strecke einfach durch und andererseits war der Himmel komplett mit dunklen Wolken zugezogen. Mir persönlich war das Risiko viel zu hoch bei schlechtem Wetter die Berge runterzuglibschen. Flo schloss sich mir dann an und blieb ebenfalls am Castel de Vergio. Gemeinsam machten wir uns auf zum Nachbargebäude um einen Zeltstellplatz zu kaufen.

Wettereinbruch

Der Zeltplatz befand sich direkt neben der Straße. Ich machte mir kurzzeitig Gedanken, ob es nicht etwas laut werden könnte wenn man direkt neben der Straße zeltet. Aber um ehrlich zu sein, wir wahrscheinlich ist es, dass mehr als 20 Autos die Straße in den nächsten Stunden entlangfahren werden?! Sehr unwahrscheinlich, richtig. Ich beeilte mich mit dem Aufbau meines Zeltes, da immer mehr dunkle Wolken aufzogen. Denn nichts ist ärgerlicher als ein Zelt im Regen aufzubauen. Vor allem wenn das Innenzelt zuerst aufgebaut werden muss und dann richtig schön nass wird. Es war gerade einmal 14:00 Uhr aber bereits arschkalt. Die Temperatur musste irgendwo im einstelligen Bereich liegen. Trotz T-Shirt, Fleecejacke und Softshelljacke fror ich. Mehr Kleidung hatte ich nicht mit und somit blieb mir nichts anderes übrig als mich in meinen Schlafsack zu verkriechen. Kurz darauf nickte ich verständlicherweise ein und schlief erstmal 2 Stunden.

Hagelkörner die ich todesmutig aus meinem Zelt heraus fotografiert habe
Hagelkörner die ich todesmutig aus meinem Zelt heraus fotografiert habe

Irgendwann fing es dann auch zu regnen an. Der Regen wurde immer stärker und vor meinem Zelt bildeten sich kleine Flüsschen. Dass mein Zelt auch mehrere Stunden Starkregen aushält konnte ich bereits auf Madeira testen, weshalb ich mir keine Sorgen machte. Während ich so in meinem Zelt lag schaute ich an die Decke. Nach einiger Zeit sah ich in der Pfütze auf meinem Zeltdach immer mehr dunkle Punkte herumschwimmen. Meine erste Vermutung, dass der Wind Dreck angeweht hätte musste ich ganz schnell verwerfen, denn es wurden immer mehr und größere dunkle Punkte. Ich tippte die dunklen Punkte an und merkte, dass es kleine Kugeln waren. Ein kurzer Blick aus dem Zelt offenbarte mir dann, dass es gerade hagelte. Da teilweise echt große Hagelkörner dabei waren, machte sich sofort große Sorge in mir breit. In Vizzavona erzählte mir nämlich der 58-jährige Lehrer, dass er es auf dem GR20 bereits einmal erlebt hat, dass auf einem Zeltplatz fast alle Zelte durch Hagelkörner niedergemäht wurden. Somit mussten die Leute entweder ihre Reise abbrechen oder zeitaufwändig in eine Stadt fahren um dort ein neues Zelt zu kaufen. Das Zelt im Hagel abzubauen war auch keine Option, so dass ich mit einem echt unguten Gefühl im Zelt liegen geblieben bin. Irgendwann hörte der Hagel glücklicherweise auf und alle Zelte standen noch. Glück gehabt. Letztendlich kann ich nur sagen, dass es die richtige Entscheidung war heute keine weitere Etappe ranzuhängen. Denn dann wäre es wirklich gefährlich geworden.

Als es nur noch nieselte holte ich mir zum Abendbrot ein 400 g schweres, frisch gebackenes Weißbrot beim Supermarkt des Zeltplatzes. Diesmal konnte man den Supermarkt auch wirklich als solch einen bezeichnen. Es gab sogar eine Kasse und mehr als 2 Regale! Nachdem ich Flo beim Abendbrot noch etwas Gesellschaft geleistet hatte, haute ich mich gegen 21:00 Uhr direkt wieder ins Zelt. Denn dort wartete wenigstens ein warmer Schlafsack auf mich.

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