Mein Wiedereinstieg in den südlichen Kungsleden sollte mich heute mit einem unerwarteten Terrain überraschen. Insgesamt standen 19 km für die heutige Etappe auf dem Plan. Ziel war der Fluss Gaaloenjohke im Rogen Naturreservat.
Die letzte richtige Mahlzeit
Mein Tag startete ganz entspannt um 8:00 Uhr. Mein Wecker klingelte und ausgeschlafen warf ich einen ersten Blick aus dem Fenster, um den Ausblick zu genießen. Nur 30 Minuten später war ich bereits beim Frühstück. Mit Speck und Rührei sowie Brötchen mit Salami und Himbeermarmelade schlug ich mir den Bauch voll. Das Frühstücksbuffet war reichlich gedeckt und bot noch viele weitere Leckereien. Das fühlte sich erstaunlicherweise wie ein richtiger Urlaub an. Aber ich wusste, dass es ab heute nur noch Tütennahrung geben würde. Umso mehr schätzte ich das Frühstück und genoss jeden einzelnen Bissen.
Shuttle Service
Vor meiner Abreise hatte ich bereits mit dem Campingplatz „Fjällnäs Camping & Lodges“ Kontakt aufgenommen. Also genau dem Campingplatz, an dem ich vor zwei Jahren im Örtchen Fjällnäs so herzlich aufgenommen wurde, als ich mit schmerzverzerrtem Gesicht und meinem kaputten Bein angehumpelt kam. Diesmal war mein Anliegen allerdings von Funäsdalen nach Fjällnäs zu gelangen. Schließlich wartete dort der Wiedereinstieg in den südlichen Kungsleden auf mich. Vor meiner Abreise erhielt ich glücklicherweise bereits eine positive Rückmeldung hinsichtlich des Shuttle Services und dass man mich gern in Funäsdalen abholt. Somit schrieb ich gestern Abend vom Bett aus nur noch eine kurze E-Mail und bestätigte, dass ich angekommen bin und ich wie geplant abgeholt werden kann. Ich checkte also aus dem Hotel aus, lief die paar Meter zum Busplatz und wartete dort auf den Campingplatzinhaber Hans. Pünktlich um 10:00 Uhr fuhr er dann mit seinem Auto vor und sammelte mich ein. Er begrüßte mich herzlich und sofort fingen wir an über alles Mögliche zu quatschen.
Gaskartuschen
Während der Fahrt erfuhr ich, dass die Schweden bedingt durch Corona nun alle im eigenen Land Urlaub machten und somit vielerorts für ausgebuchte Hotels und Ferienwohnungen sorgten. Der Tourismusbranche schien es also gut zu gehen. Etwas später kam ich dann auf das Thema Gaskartuschen, da ich diese auf dem Campingplatz kaufen wollte. Auch dies hatte ich bereits vor meiner Abreise geklärt, da ich mir so den Weg vom Flughafen nach Stockholm sparen konnte. Insbesondere, da Stockholm in entgegengesetzter Richtung meiner eigentlichen Reiseroute gelegen hätte. Hans erwähnte allerdings, dass auf dem Weg von Funäsdalen nach Fjällnäs ein neuer Supermarkt geöffnet hätte und ich die Gaskartuschen dort noch etwas günstiger kaufen kann. Gesagt, getan und schon hielt er einen Moment später auf dem Parkplatz des Supermarkts, der direkt an der Straße lag. Ich huschte also kurz in den Supermarkt, griff mir eine 450g Schraubkartusche von Primus ohne mich von den vielen Leckereien beirren zu lassen und zwei Minuten später saß ich wieder im Auto. Schließlich wollte ich keine Umstände machen und ihn lange warten lassen.
Start in den südlichen Kungsleden
Nur wenige Minuten später erreichten wir bereits den Zubringerpfad zum südlichen Kungsleden. Hans hatte nämlich vorgeschlagen mich bereits kurz vor Fjällnäs abzusetzen, so dass ich mir ca. 2 km Asphaltweg sparen kann. Dieser Vorschlag stieß meinerseits auf Begeisterung, denn nichts ist langweiliger als auf einem Asphaltweg zu laufen. Nachdem ich meinen Rucksack ausgeladen hatte, verabschiedeten wir uns.
Ich packte meine Trekkingstöcke aus und nun konnte es endlich losgehen. Rechts und links von mir verliefen Garagenzeilen. Mit der Frage, warum diese ausgerechnet hier draußen gebaut wurden folgte ich dem befestigten Schotterweg. Nun hieß es erstmal den Einstieg in den echten Kungsleden zu finden. Der Weg führte permanent bergauf, so dass ich auf den ersten 2,3 km bereits 217 Höhenmeter zurücklegen musste. Ein super Warm-up für meinen Körper, damit er direkt weiß was ihm die kommenden Tage blüht. Während ich den Weg zurücklegte musste ich 6-mal zum Wegesrand ausweichen, da immer wieder Autofahrer in Richtung Startpunkt des Kungsledens gefahren sind. Wollten diese Leute heute alle in den Kungsleden starten?!
Am Einstiegspunkt angekommen, erwartete mich ein befestigter Parkplatz, der mit 20 Autos gefüllt war. Was für ein Event war denn hier am Start?! Nachdem ich mich kurz umgeschaut hatte, stellte ich anhand der vielen Wegweiser fest, dass dieser Platz als Ausgangspunkt vieler Eintagestouren diente. Das erklärte dann auch die vielen Autos.
Wegbeschaffenheit auf dem südlichen Kungsleden
Ich war gespannt mit welchem Terrain und welcher Wegkonsistenz ich es wohl diesmal zu tun bekommen würde. Denn schon bei meiner ersten Tour hieß es, dass sich das Gelände ab Fjällnäs stark ändern und deutlich steiniger werden würde. Hans bestätigte mir das auch nochmal während unserer Autofahrt. Und es war tatsächlich so. Die nächsten Kilometer sollten sehr steinig werden. Kein Vergleich zur Wegbeschaffenheit meiner ersten Tour, bei der ich tagelang durch Wiesen- und Sumpflandschaften watete. Diesmal kam mir allerdings auch noch zugute, dass ich nicht am Anfang sondern zum Ende der Saison unterwegs war und das Wasser der Schneeschmelze somit 1,5 Monate mehr Zeit hatte um zu versickern und zu verdunsten. Dies führte teilweise zu echt interessanten und sehenswerten Naturphänomenen. Insbesondere sonst mit Wasser gefüllte Becken, die nun komplett ausgetrocknet waren, wirkten total deplatziert im vorherrschenden Landschaftsbild.
Vom sumpfigen Untergrund blieb ich trotzdem nicht verschont. Denn in tiefer gelegenen Gebieten, in denen sich das Wasser sammelte, versanken meine Schuhe wieder tief im Sumpf. Aber das Spiel kannte ich nur zu gut, so dass ich in diesen Fällen routiniert mit meinen Trekkingstöcken einen einigermaßen begehbaren Weg suchte. Immer voll konzentriert, um nicht abzurutschen.
Wie nicht anders zu erwarten dauerte es nicht lange und vor mir erstreckten sich unendliche Weiten. Ein traumhafter Ausblick. Da ich weitere 100 Höhenmeter aufsteigen musste, erreichte ich eine Höhe in der bis auf Moose, Flechten und kleinere Sträucher sonst keine Vegetation mehr zu finden war. Aufgrund der Höhe und der Weite hatte ich die nächsten 8 km freien Blick. In Deutschland unvorstellbar.
Meine Begleiter die Rentiere
Auch die Rentiere fühlten sich auf dieser Höhe anscheinend sehr wohl, so dass ich auf den nächsten Kilometern immer wieder kleinere Rudel an Rentieren entdeckte. Sie waren scheu aber aufgrund der nahezu nicht vorhandenen Vegetation hatte ich immer freien Blick auf die Rentiere und konnte ihren Anblick genießen. Zeitweise zog ein Rudel sogar über einen längeren Zeitraum parallel zu mir in meine Richtung mit. Als würde ich gemeinsam mit den Rentieren reisen. Ein tolles Erlebnis.
Rogen Naturreservat
Nach 13 km und 5:00 Stunden erreichte ich ein Schild, das darauf hinwies, dass ich nun das Rogen Naturreservat betrete. Der Name Rogen stammt hierbei vom See, der mitten im Naturreservat liegt und eine beachtliche Größe aufweist. Somit konnte ich mich nun auf ein riesiges Areal unberührter Natur freuen, komplett frei von Straßen jeglicher Art.
Auf dem Schild wurde auch kurz über die Flora und Fauna aufgeklärt, was ich besonders interessant fand. Denn unterwegs hatte ich neben den mir bereits bekannten Blaubeeren (diese sollen angeblich ganze 17 % der Landfläche in Schweden bedecken) auch viele Beeren gefunden, die alle irgendwie wie Blaubeeren aussahen aber die Blätter der Pflanzen nicht wirklich zu Blaubeersträuchern passten. Nun hatte ich also die passenden Pflanzenbezeichnungen vor mir. Bei den blaubeerartigen Früchten handelte es sich um essbare Krähenbeeren. Hatte ich vorher noch nie von gehört. Bei den roten Beeren handelte es sich um Heidelbeeren. Somit war der Tisch reichlich gedeckt. Theoretisch hätte ich mich den ganzen Tag nur von Beeren ernähren können.
Es wurde auch darauf hingewiesen, dass in diesem Gebiet neben den Beeren auch Bären leben (Wortwitz :D). Diese seien allerdings scheu, so dass man sich glücklich schätzen kann, wenn man tatsächlich einen Bären zu Gesicht bekommt. Mit der Aussage konnte ich leben.
Vor mir lag nun also das Rogen Naturreservat. Aufgrund meines erhöhten Standpunktes und da das Rogen Naturreservat in einem Tal lag, konnte ich einen großen Teil des Gebiets überblicken und mir ausmalen, was mich die kommenden Tage erwarten würde. Das Panorama war einfach überwältigend und kommt auch diesmal auf Fotos nicht annähernd so gut rüber.
Um das Rogen Naturreservat zu betreten war es erst einmal notwendig 200 Höhenmeter abzusteigen. Somit nahm die Vegetation auch wieder deutlich zu, so dass nun auch wieder Bäume das Landschaftsbild prägten. Zudem sollten auch wieder Sumpfareale Einzug halten. Der Weg wurde enorm steinig, so dass mein Lauftempo enorm abnahm, da ich oft auf großen Feldbrocken umherspazieren musste. Entgegen meiner eigentlichen Planung legte ich statt einer langen erholsamen Mittagspause nur viele kleine Pausen ein. Dies war primär dem eher unangenehmen Wetter geschuldet. Denn mit 10°C, einem bewölkten Himmel und viel Wind war es alles andere als angenehm, um sich eine Stunde ins offene Gelände zu setzen und eine Pause einzulegen.
Zeltplatzsuche
Wie es sich für unwegsames Gelände ohne markierte Zeltplätze gehört, habe ich gut eine Stunde vor meinem gesteckten Tagesziel bereits damit begonnen nach einem geeigneten Platz zum Zelten Ausschau zu halten. Meine Anforderungen waren wie immer dieselben. Eine einigermaßen ebene und trockene Fläche, die nicht in einer Senke liegt und sich zudem möglichst nicht unter Bäumen befindet. Nachdem ich wieder einige Sumpfareale durchquert hatte und zeitweise Mühe hatte überhaupt einen Weg durch das Sumpfgebiet zu finden, wurde ich gegen 18:00 Uhr fündig. Ein perfekter Platz, ausreichend groß und direkt an einem Fluss gelegen, so dass auch die Wasserversorgung sichergestellt war. Somit schloss ich meine erste Etappe nach 19 km und einer Laufzeit von 7:30 Stunden (inkl. Pausen) ab. Da war ich doch deutlich länger unterwegs als ursprünglich geplant. Das Gelände war doch anspruchsvoller als erwartet. Sollte das Gelände so bleiben, dann wäre die Planung der restlichen Tour wohl etwas knackiger als gedacht.
Abendprogramm
Nachdem ich den kompletten Platz inspiziert hatte begann ich damit mein Nachtlager aufzuschlagen. Nachdem das Zelt aufgebaut war ging es an die Zubereitung des Abendbrots. Schließlich hatte ich heute neben meinem üppigen Frühstück nur einen Snickers zum Mittag. Auf dem Speiseplan stand heute eine Nudel-Huhn-Terrine. Allerdings sträubte sich mein ganzer Körper gegen dieses Gericht als mir der Geruch in die Nase stieg. Dabei hatte ich das Gericht auch schon bei früheren Touren dabei aber anscheinend hatte mein Gedächtnis dieses Gericht als ungenießbar abgespeichert. Ich hoffte, dass ich dieses Gericht nicht nochmal im Rucksack hatte, da ich sonst lieber hungern würde.
Nachdem ich mein äußerst köstliches Abendbrot hintergewürgt hatte kümmerte ich mich noch um die Wasseraufbereitung für die Nacht und den kommenden Tag. Wasser war durch den Fluss ausreichend vorhanden. Da ich mir diesmal den Schwimmbadgeschmack im Wasser ersparen wollte, hatte ich einen Wasserfilter dabei. Diesen probierte ich bereits im Laufe des Tages zum ersten Mal aus und filterte meine ersten 2 Liter Wasser. Es war überraschend einfach aber benötigte ein wenig Zeit. Aber davon hatte ich ja mehr als genug, so dass ich dem Wasserfilter entspannt beim Filtern zugucken konnte. Ein beruhigendes Abendprogramm.
Nachdem die Zähne geputzt waren und alles wetterfest verstaut war, kroch ich gegen 19:30 Uhr in meinen warmen Schlafsack. Denn draußen sitzen war bei den Temperaturen nicht so angenehm und ein Feuer wollte ich im Naturreservat auch nicht machen (mal davon abgesehen, dass es ohnehin untersagt ist). Während ich im Bett lag grübelte ich, warum ich den ganzen Tag über nur 2 (!) Mücken gesehen habe. Wo sind die Mückenschwärme? War es ihnen zu kalt oder zu windig? Das hatte sie doch damals auch nicht gestört. Sollte ich mein Mygga Mückenspray umsonst gekauft haben?! Die nächsten Tage sollten meine Fragen sicherlich beantworten. 22:00 Uhr schlief ich dann ein, um für den nächsten Tag ausreichend Energie zu sammeln.
Wieder mal sehr interessant zu lesen, danke für den Beitrag!(:
Bezüglich des Essens: Hattest du Curry-Huhn Flashbacks oder hast du im Nachgang noch wieder rausgefunden was dich an der Terrine gestört hat?
Sehr gern. :)
Ne, zum Glück keine Curry-Huhn Flashbacks.. aber ungefähr auf dem Level. Vielleicht war es in diesem Fall einfach der zu intensive Geschmack. Keine Ahnung, ob das an den Gewürzen oder möglicherweise an Geschmacksverstärkern lag. Aber die Blacklist ist nun um einen Eintrag reicher. xD