Tag 6: Långbrottstugan – Fjällnäs

Für meine heutige Etappe hatte ich erneut eine Strecke mit einer Länge von 20 bis 25 km angepeilt. Ein tatsächlicher Zielort stand allerdings noch nicht fest und sollte erst unterwegs nach Lust und Laune bestimmt werden.

Eine stürmische Nacht

Der starke Wind hatte bereits dafür gesorgt, dass ich letzte Nacht nicht richtig einschlafen konnte. Leider kam es noch viel schlimmer, denn aus dem starken Wind wurden gegen 1:00 Uhr nachts richtige Sturmböen, die mit viel Kraft an meinem Zelt zerrten. Als würde jemand vor dem Zelt stehen und mit Gewalt versuchen es wegzureißen oder niederzudrücken. Eine sehr unangenehme Situation. Ich überlegte mein Zelt in die windgeschützte Långbrottstugan zu verlegen aber da es zudem regnete verwarf ich diese Idee ganz schnell wieder. Andernfalls hätte ich zwar eine ruhige Nacht im Zelt gehabt aber wäre wohl komplett durchgeweicht. An eine ruhige und erholsame Nacht war jedenfalls nicht mehr zu denken.

Schlechtes Wetter Klappe die 5.

Deutlich später als die letzten Tage begann mein Tag dann gegen 7:30 Uhr. Ein Blick aus dem Zelt ließ keine wirkliche Freude aufkommen. Denn wieder einmal war es neblig, stürmisch und zudem nieselte es. Super Wetter, um in einen neuen Tag zu starten. Man könnte fast meinen ich würde mich an dieses Wetter gewöhnen aber weit gefehlt, denn dieses kalte, stürmische und nasse Wetter geht an die Substanz und zehrt einen langsam aus. Für mich sind 2 bis 3 solcher Tage noch in Ordnung, aber danach wird es echt belastend.

Da es nieselte schleppte ich meine komplette Ausrüstung aus dem Zelt in die Långbrottstugan und packte sie dort langsam im Trockenen zusammen. Auch das Zelt brachte ich anschließend in die Hütte, um es einzupacken.

Unterschlupf in der Schutzhütte

Unterschlupf in der Nähe der Långbrottstugan
Unterschlupf in der Nähe der Långbrottstugan

Nachdem ich meine Ausrüstung zusammengepackt hatte war es bereits 8:40 Uhr. Zu meinem Glück hatte es jetzt richtig angefangen zu regnen. Ich lief also 200 Meter und bog sofort in die nagelneue Schutzhütte ab. Einerseits wollte ich mir ein schönes warmes Frühstück zubereiten und andererseits hatte ich die Hoffnung, dass der Regen in der Zwischenzeit aufhört oder zumindest etwas schwächer wird. Zum Frühstück gab es dann Spaghetti Cabonara. Natürlich habe ich mir beim Zubereiten und Essen richtig viel Zeit gelassen. Wobei es so ohne Bewegung auch mit dickeren Klamotten irgendwann unangenehm wurde. Gegen 10:00 Uhr war ich dann soweit, um tatsächlich in meine heutige Etappe zu starten. Natürlich regnete es immer noch und auch der stürmische Wind trieb den Regen weiterhin voran. Somit blieb mir keine andere Wahl als bei diesem Dreckswetter loszuziehen.

Tiertrampelpfade

Ausgerüstet mit wasserdichter Hose und Hardshelljacke verließ ich die Schutzhütte und erwischte sofort einen falschen Pfad. Wie sollte es auch anders sein?! Natürlich merkte ich das erst viel später als der Weg wieder mitten im Nichts aufhörte. Etwas angefressen stand ich dann im Gestrüpp. Auf mich prasselte der Regen und ich suchte die Markierungen des Winterweges, um eine ungefähre Idee zu bekommen wo sich denn der richtige Weg befinden könnte. Es stellte sich heraus, dass ich gute 500 m neben dem eigentlichen Weg unterwegs war. Somit stand wieder eine kräftezehrende Sumpfwanderung an. Natürlich konnte ich nicht einfach geradeaus laufen. Das wäre ja auch viel zu einfach gewesen. Ich musste einige Male Umwege laufen, da sich vor mir immer wieder kleinere Tümpel und dichtes Gestrüpp auftaten. Langsam verging mir wirklich die Lust.

Als ich den Weg wiedergefunden hatte, ging es etwas entspannter weiter. Aber irgendwie hatte ich heute kein Glück. Nachdem ich gestern Abend froh war, dass meine Schuhe zum Teil getrocknet waren leistete ich mir heute einen Fehltritt. Ich wollte eigentlich nur einen kleinen Bach überqueren indem ich wie auch sonst immer über einen aus dem Wasser guckenden Stein laufe. Blöderweise rutschte ich vom Stein ab und stand dann direkt 20 cm tief im Wasser. Das Wasser lief mir natürlich direkt in den Schuh und somit hatte sich das mit dem einigermaßen trockenen Schuh erledigt. Aber zumindest war mein rechter Schuh noch trocken. Man soll ja auch die positiven Dinge sehen.

Unendliche Weiten
Unendliche Weiten

Kurze Zeit später verlor ich wieder den Weg, stapfte auf der Suche nach dem eigentlichen Weg durch sumpfiges Gebiet und entdeckte ihn dann irgendwann wieder. Mittlerweile stellte ich mir echt die Frage, ob ich einfach zu blind bin, um die Wege zu sehen.

Heute ist einfach nicht mein Tag

Aber wenn man denkt es läuft schon schlecht, dann geht es natürlich immer noch schlimmer. Ich rutschte ein weiteres Mal auf einem Stein aus, verlor das Gleichgewicht und verdrehte mir bei dem Versuch mich trotz des schweren Rucksacks abzufangen das Bein. Natürlich verdrehte ich mir mein linkes Bein, das ohnehin schon durch die überlastete Sehne stark schmerzte.

Kurz darauf kam ich an einer Schutzhütte vorbei, die ich für eine kurze Rast nutzte. In der Hütte lagen Notizbücher aus, in denen sich Trekker verewigen konnten. Ich stöberte in den Büchern, die bis in das Jahr 2009 zurückreichten und konnte viele interessante Geschichten von Menschen aus aller Welt lesen.

Schmerzen über Schmerzen

Nachdem ich die Schutzhütte verlassen hatte und weiterlaufen wollte, merkte ich, dass der Schmerz beim Laufen mittlerweile unerträglich war. Ein Laufen war überhaupt nicht mehr möglich, da jede kleine Bewegung, welche die Sehne um das linke Knie herum beanspruchte höllisch schmerzte. Ich wusste nicht genau wie ich jetzt mit dieser Situation umgehen sollte. Ich schleppte mich einen Kilometer weiter und wurde dabei aufgrund der Schmerzen immer langsamer. Ein Abbruch der Tour kam für mich nicht infrage. Schließlich habe ich noch nie eine Tour abgebrochen, egal wie stark die Schmerzen waren. Und wie würde ich dann im Freundes- und Kollegenkreis dastehen?! Irgendwie schossen mir viele solcher Gedanken durch den Kopf.

Weiterlaufen oder Abbrechen?

Es dauerte nicht lange und die Vernunft setzte ein. Mir war klar, dass es sich vermutlich um eine Sehnenentzündung handelt, die durch eine Überlastung zustande gekommen ist. Von daher war mir auch klar, dass es von Tag zu Tag nur noch schlimmer werden kann. Das konnte ich die letzten Tage ja bereits bestens beobachten. Die notwendige Ruhe, um die Entzündung auszukurieren würde ich auf dieser Tour auf alle Fälle nicht finden. Die massiven Schmerzen auf den nächsten Kilometern überzeugten mich dann. Denn ich versuchte mein linkes Bein nur noch steif zu halten, da die Schmerzen einfach ein unerträgliches Maß angenommen hatten. Natürlich konnte ich auf diese Weise nicht wirklich vernünftig in diesem unebenen Terrain laufen.

Rettung in Fjällnäs?

Zum Glück sollte mich in 5 km Entfernung der Ort Fjällnäs erwarten. Ob ich dort Hilfe erwarten könnte war mir nicht klar, aber es war auf alle Fälle einen Versuch wert. Zuerst einmal musste ich es aber bis dorthin schaffen. Die nächsten 5 km waren dann tatsächlich eine echte Qual. Aber zumindest gab es eine Sache, die mich dann aufgeheitert hat. Nachdem ich die letzten Tage keine wilden Tiere zu Gesicht bekommen hatte, hatte ich nun auf den letzten Kilometern doch noch die Gelegenheit. Neben mir standen nämlich auf einmal mehrere Rentiere. Ein toller Anblick, den ich eine ganze Weile genießen konnte, da die Rentiere meinen Weg kreuzten und dann parallel zu meinem Weg in ausreichendem Abstand mit in meine Richtung liefen.

Flauschige Rentiere
Flauschige Rentiere

Fjällnäs, ein Geisterdorf?!

Die restliche Strecke bis zu dem Örtchen legte ich dann unter sehr starken Schmerzen zurück. Eigentlich wollte ich ab und an pausieren aber das Aufstehen war schon ohne Rucksack eine echte Herausforderung und mit Rucksack unmöglich. Von daher hieß es durchziehen. Als ich Fjällnäs erreichte taten sich vor mit einige Holzhütten auf. Allerdings sah es nicht so aus als ob diese bewohnt waren. Meine App zeigte mir ein kleines Café in der Nähe eines Sees an. Somit schleppte ich mich dorthin, in der Hoffnung dort Hilfe zu finden. Aber auch das Café war komplett dunkel. Der Ort schien irgendwie komplett verlassen zu sein. Meine letzte Hoffnung war somit der auf meiner Karte eingezeichnete Campingplatz. Als ich diesen erreicht hatte, humpelte ich mit schmerzverzehrtem Gesicht über den Campingplatz, um die Rezeption zu erreichen. Auf dem Weg dorthin kam mir direkt der Betreiber des Campingplatzes entgegen und fragte, ob er mir irgendwie helfen könne und ob ich über Nacht bleiben möchte. Ich hatte mein Ziel endlich erreicht – hilfsbereite Menschen, die mich aus meiner Situation befreien können. Als ich dann meine Situation schildern wollte bat man mich erstmal in die warme Hütte hinein und bot mir einen Stuhl an.

Hilfsbereitschaft

Ich unterhielt mich eine halbe Stunde mit dem Pärchen, das den Campingplatz betreibt. Die beiden kamen ursprünglich aus den Niederlanden und sind nach Schweden ausgewandert, um diesen Campingplatz zu betreiben. Ich tauschte mich dann über Land und Leute aus und plante zudem meine Rückreise. Schließlich erhielt ich die wertvolle Information, dass in der Nachbarstadt ein Flixbus fahren soll. Meine erste Recherche im Internet zeigte mir eigentlich, dass die Rückreise von Fjällnäs nach Stockholm ein ziemliches Abenteuer werden sollte. Von daher war ich umso mehr überrascht, dass eine Direktverbindung aus diesem Nichts nach Stockholm existiert. Somit buchte ich direkt ein Ticket über die Flixbus App sowie ein Ticket für den Rückflug von Stockholm nach Berlin. Mein eigentlicher Rückflug ließ sich ja leider nicht mehr umbuchen oder stornieren. Die Idee in Stockholm noch ein paar Tage zu verbringen verwarf ich auch sehr schnell, da ich ohnehin nicht mehr ohne Schmerzen laufen konnte. Selbst ohne Rucksack. Nachdem klar war, dass ich erst am nächsten Tag meine Rückreise antreten kann musste ich natürlich noch eine Nacht auf dem Campingplatz verbringen. Ich hatte dann riesiges Glück, dass von den Ferienhäusern noch ein einziges für die kommende Nacht verfügbar war. Da musste ich natürlich nicht lange überlegen und nahm es sofort in Beschlag. Kostentechnisch lag es bei 500 SEK (ca. 46,31 €). Ich hätte sogar den doppelten Preis bezahlt. Alles war besser als bei diesem Mistwetter unter starken Schmerzen ein Zelt aufzubauen und den restlichen Tag sowie die kommende Nacht im Zelt rumzuliegen.

Meine eigene kleine Ferienwohnung

Nachdem alles geklärt war, bezog ich erst einmal meine Ferienwohnung. Ich hatte einen Flur, ein kleines Wohnzimmer, ein echtes Bad mit richtiger Toilette und einer Dusche sowie eine Küche und ein Schlafzimmer mit 2 Doppelstockbetten.

Blick aus dem Fenster
Blick aus dem Fenster

Als erstes sprang ich unter die Dusche, um den Dreck der letzten Tage abzuwaschen. Danach fühlte ich mich direkt viel besser. Als nächstes packte ich dann meinen Rucksack aus. Schließlich war meine komplette Ausrüstung durch den Regen nass und musste getrocknet werden. Hierbei stellte ich fest, dass bei meinem gestrigen Sturz auf den Rücken eine Packung Erdbeercreme gesprengt wurde und sich das rotfarbene Pulver langsam in meinem Rucksack verteilt hatte. Am Nachmittag suchte ich dann nochmal das Pärchen in der Rezeption auf, um ein wenig zu quatschen. Als ich den Raum betrat wurde mir dann direkt gesagt, dass ich jetzt deutlich besser aussehe. Anscheinend muss ich bei meiner Ankunft wirklich ziemlich kläglich ausgesehen haben. Nachdem ich mich hingesetzt hatte, wurden mir dann Tee und Kekse angeboten. So viel Gastfreundschaftlichkeit war ich gar nicht gewohnt. Ich konnte dann noch ein paar Informationen zur Region einholen und dann wurden mir sogar beide Gaskartuschen, die ich so mühsam beschafft hatte, abgekauft. Eigentlich wollte ich ihnen die Gaskartuschen schenken, aber man bestand darauf, die Gaskartuschen zu bezahlen.

Ich verzog mich dann wieder in meine Ferienwohnung, ließ noch einen Fressflash über mich ergehen und ruhte mich dann den restlichen Abend aus. Letztendlich habe ich somit in der heutigen Etappe lediglich 10 km zurückgelegt.

Weitere Impressionen des Tages

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