Tag 9: Lower Pisang – Manang

Da wir die letzten Tage bemerkt hatten, dass mit steigender Höhe ab Mittag immer stärkere Winde aufziehen und es ziemlich ungemütlich wird, stellten wir unseren Wecker wieder einmal 15 Minuten eher. Unser Tag startete somit 6:15 Uhr. Eine Zeit zu der ich in Deutschland nicht einmal unter Woche ans Aufstehen denken würde. In der Nacht hörte ich den Regen unentwegt auf das Dach prasseln. Mal etwas schwächer und dann wieder stärker. Bis es kurz vor 6 Uhr dann ruhig wurde. Ich wartete darauf dass der Wecker das Startsignal für den Tag gibt und freute mich auf einen trockenen Trek. Als ich dann aber die Tür öffnete, dachte ich ich sehe nicht richtig. Das ganze Tal und Lower Pisang waren von einer dünnen Schneedecke überzogen und es schneite weiterhin. Dies erklärte auch, warum auf einmal kein prasselnder Regen mehr wahrzunehmen war. Mein Blick fiel sofort auf Upper Pisang, da mich die Wetterlage in den höheren Regionen interessierte. Aber Upper Pisang war nicht mehr da. Es war vollständig von einer dicken Wolke verschluckt worden. Was die Temperaturen angeht, so hatten wir nun endlich einmal einen Anhaltspunkt wie kalt es eigentlich ist. Es war kalt aber der Schlafsack hielt wieder warm und das Zimmer speicherte die abgegebene Wärme ganz gut.

6:45 Uhr gab es dann wieder einen lecker Apple Pancake. Während des Frühstücks berieten wir uns, inwiefern es sinnvoll sei bei diesen Wetterverhältnissen aufzubrechen. Um keinen wertvollen Puffertag zu verlieren, entschieden wir uns dann dafür loszuziehen. Letztendlich bleibt der Schnee nicht wirklich an einem haften und man wird nicht nass. Blöderweise ging der Schnee dann sehr schnell in einen ekelhaften Schneeregen über. Somit mussten wir unsere Rucksäcke wieder mit dem Regenschutz versehen und uns eine Regenjacke anziehen. Die anschließende Suche nach einer Safe Drinking Water Station war zwar erfolgreich, jedoch war diese aufgrund eines Defekts geschlossen. Wir mussten somit auf Wasser in Plasteflaschen ausweichen.

Während wir unterwegs waren weichte meine Hose langsam durch. Sie war wohl doch nicht so wasserfest wie gedacht. Die nasse Hose lag dann direkt an den Oberschenkeln an und die Kälte betäubte langsam meine Beine. Aufgrund des schlechten Wetters hingen die Wolken noch tiefer als am Vortag. Somit mussten wir durch die Wolken hindurchlaufen. Das war schon echt krass. Der Schnee knirschte unter unseren Schuhen und das vor uns liegende schneebedeckte Tal und die dahinterliegenden Berge lieferten uns ein unbeschreibliches Bild. Es war erneut zu beobachten wie sich die Vegetation änderte. Die dichten Nadelwälder waren nicht mehr anzutreffen, sondern nur noch weite Ebenen in denen vereinzelt Nadelbäume standen. Teilweise gab es dann nur noch steppeähnliche Ebenen die nichts weiter als braune Gräser und wenige karge Sträucher enthielten. Nach einiger Zeit hörte es dann auf zu schneien/regnen und die Sonne begann sofort damit sämtlichen Schnee in einer erstaunlichen Geschwindigkeit wegzuräumen. Durch die trockene Bergluft war meine durchnässte Hose wieder ruckzuck trocken.

Panorama auf dem Weg nach Manang
Panorama auf dem Weg nach Manang

Erstaunlicherweise waren wir sehr schnell unterwegs. Da Patrick Probleme mit der Höhe hatte, hatte ich ihm 1,5 kg an Gewicht abgenommen. Somit erhöhte sich mein Reisegewicht auf 14 kg. Die heutige Etappe war zwar fordernd aber konditionstechnisch wesentlich angenehmer als die letzten Tage. Mittlerweile hatte ich mich auch an das stundenlange Laufen und das Gewicht des Rucksacks gewöhnt.

Einen Zwischenstopp legten wir dann in Humde ein. Ein kleiner Ort der sogar einen winzigen Flughafen hat. Wir suchten dann ein Guest House auf und bestellten uns eine Kanne Tee. Wir durften uns dann sogar in die Küche des Guest Houses setzen, da dort ein Ofen zum Kochen beheizt wurde. Eine super Gelegenheit um sich etwas aufzuwärmen und auszuruhen. Während wir in der Küche saßen kümmerte sich eine Dame um das Essen für die ganze Familie. Wir bekamen sozusagen eine nepalesische Live Cooking Vorführung. Es war interessant mal eine nepalesische Küche von innen zu sehen. Besonders das Fleisch, das zum Trocknen über ein paar Stöcker im Abzugsschacht gehangen wurde, fand ich besonders kurios. Da hätte man sicher sehr günstig Trockenfleisch kaufen können. Wäre sicher ein tolles Geschenk für die besten Freunde gewesen. ;D

Danach ging es weiter zum Zielort Manang. Auf dem Weg dorthin durchquerten wir ein Dorf, in dem Backwaren angeboten wurden. Ausgehungert von den Anstrengungen kaufte ich ein Stückchen gefüllten Apfelkuchen. Der schmeckte dann so super, dass ich mir sofort ein weiteres Stückchen holen musste. Da die Stückchen relativ groß waren, war mein Bauch anschließend gut gefüllt. Das letzte Stückchen Weg bis nach Manang sollte sich so sehr gut überstehen lassen.

Tag 9: Lower Pisang - Manang
Lower Pisang – Manang

In Manang angekommen (16 km Fußmarsch in 4,5 Stunden), durften wir den bisher größten Ort unserer Trekkingtour in Augenschein nehmen. Der Ort bestand aus unzähligen Häusern und es gab viele Bäckereien, Guest Houses und Geschäfte die Waren des täglichen Bedarfs sowie Trekkingartikel im Angebot hatten. Viele Gebäude hatten sogar 3 Stockwerke. Eine Sensation. Als Erstes machten wir uns auf zum TIMS Checkpost und ließen unsere Daten wieder in einem Büchlein erfassen. Anschließend suchten wir uns ein Guest House und dann gab es erstmal Mittag – Veg. Fried Potatoes ohne Ei!

Auf dem Weg zum Hotel sahen wir ein Schild, das auf einen Altitude Talk (Vortrag über Höhenkrankheit) hinwies. Dieser wird in der Saison von ehrenamtlich arbeitenden Ärzten täglich um 15:00 Uhr gehalten und kann kostenfrei besucht werden. Da wir ohnehin nichts weiter zu tun hatten, besuchten wir die Veranstaltung und ließen uns nochmal von fachkundigem Personal über die Höhenkrankheit, HAPE und HACE aufklären. Da im Internet sehr viele ungenaue oder falsche Informationen zu dem Thema zu finden sind war dieses Aufklärungsgespräch wirklich viel wert. Im Anschluss konnten noch passende Medikamente zur besseren Anpassung an die Höhe bzw. zur Unterdrückung der Symptome der Höhenkrankheit erworben werden. Dieses Angebot nahmen wir natürlich in Anspruch und trugen somit einen kleinen Teil zur Finanzierung des Projektes bei. Auch bei der freiwilligen Messung des Lungen- bzw. Atemvolumens und der dazugehörigen Studie zum Thema Höhenkrankheit, HAPE und HACE nahmen wir teil. Mit 102 % lag meine gemessene Lungenfunktion in der Höhe von 3500 m leicht über dem Durchschnitt. Bei Patrick sah es mit 84 % nicht ganz so gut aus aber alles über 80 % sei wohl noch im Bereich des Normalen, so dass wir uns keine Sorgen machen mussten. Während des Vortrags erfuhren wir, dass bei wenigen Tagen und Wochen noch gar keine Bildung zusätzlicher roter Blutkörperchen erfolgt. Der Körper passt in dieser kurzen Zeit viel mehr die Atemfrequenz und somit den Puls an. Denn egal in welcher Höhe man sich befindet, es steht immer genauso viel Sauerstoff zu Verfügung. Da aber der Luftdruck abnimmt, erreicht nur noch ein Teil des Sauerstoffs die Lunge, wodurch eine höhere Atemfrequenz notwendig wird. Dass diese Anpassung wirklich notwendig ist, habe ich besonders in einer Nacht gemerkt. Da der Mensch in der Nacht generell ruhiger atmet und somit bei unzureichender Anpassung nicht mehr genügend Sauerstoff bekommt, wacht man auf und muss erst einmal tief Luft holen. So, als ob man eine Weile unter Wasser war und dann wieder auftaucht und erst einmal Luft schnappen muss. In Manang stand der Lunge noch ein Sauerstoffgehalt von 64 % im Vergleich zum Meeresspiegel zur Verfügung. Bei der Passüberquerung sollten es dann nur noch 50 % sein. Das klang nach viel Spaß.

Zum Abschluss des Tages schlenderten wir noch etwas durch Manang, da es doch etwas größer war. Während unserer Tour durchquerten wir die Altstadt und erreichten einen kleinen versteckten Aussichtspunkt am Rande des Ortes. Von dort aus hatten wir einen hervorragenden Ausblick auf den Annapurna II (7937 m), Annapurna III (7555 m) und den Annapurna IV (7525 m). Da der Himmel klar war, hatten wir die perfekte Gelegenheit erwischt um ein paar grandiose Fotos zu schießen.

Versteckter Platz am Ortrand von Manang
Versteckter Platz am Ortrand von Manang

Aus unserem Versuch unsere Wasserflaschen an der Safe Drinking Water Station aufzufüllen wurde dann leider nichts mehr, da diese bereits geschlossen hatte. Somit gab es halt 2 Kannen Tee in unserem Guest House. Dazu gab es dann Potato Rosti. Nach diesem langen Tag ging es dann endlich ins Bettchen.

Weitere Impressionen des Tages

4 Comments

  1. D&G

    Alle Achtung vor Eurer Trekking-Leistung, für uns wäre das definitiv keine Urlaubsoption obwohl die Eindrücke, das Erlebte und Gesehene sicher einmalig sind.
    Immer wieder sieht man auf den Bildern Mauern mit runden Behältnissen (siehe Bild 23/24). Was ist das eigentlich?
    Kann man sich als Trekker an den Ortstafeln mit den Zeitangaben orientieren oder ist die Zeitangabe eher was für Spitzensportler?
    Das Stilleben „Thermoskanne & Patrick“ ist echt cool, macht er Hausaufgaben oder will er die Thermoskanne porträtieren?
    Wir freuen uns auf weitere interessante Tagebucheinträge.

    1. shion

      Bei den Mauern mit den runden drehbaren Behältnissen handelt es sich um Gebetsmühlen die aus dem Buddhismus stammen. Auf der Außenseite enthalten diese „Behältnisse“ Gebete und Mantras. An den Wänden läuft man dann auf der linken Seite entlang und dreht alle Gebetsmühlen. Das Drehen der Gebetsmühlen hat wohl diverse Hintergründe.

      Die Ortstafeln mit den Zeitangaben sind realistisch gehalten und passen gefühlt für den durchschnittlichen trainierten Trekker. Für uns haben die Zeiten zumindest gut gepasst. Man muss jedoch beachten, dass die Zeiten vmtl. ohne Pause gemessen wurden. Unsere Karte enthielt ebenfalls Zeiten für alle Etappen aber die Zeiten waren teilweise utopisch. Wenn wir für manche Etappen 3 Stunden länger als auf der Karte angegeben gebraucht haben, dann stimmt die Karte in meinen Augen nicht.

      Ein Portrait der Thermoskanne wäre sicher toll gewesen aber Patrick hat so wie ich auch ein paar Notizen zum Tag gemacht. Wenn man jeden Tag so viel erlebt und so viele Eindrücke sammelt, dann vergisst man nach einigen Tagen leider schon wieder vieles.

  2. Rico

    Also bisher waren ja schon schöne Bilder dabei, aber die von diesem Tag übertreffen das ja noch. Sieht schon ulkig aus mit der Schneegrenze. Scheinbar hintereinanderliegende Berge sind mal bedeckt und mal frei.
    Bild 5 erinnert mich total an Crysis und der Apfelkuchen sieht verdammt lecker aus. Schon vom Anblick her kann ich verstehen, warum du zwei Stücken genommen hast. :D
    Bin schon auf die Passüberquerung gespannt. :-)

    1. shion

      Die Fotos sind in der Tat schon genial aber es kommt noch besser. :D
      Durch die unterschiedlichen Berge hat man immer einen schönen Kontrast im Bild. Die Weiten sind dermaßen krass und die Berge teilweise so weit auseinander und hoch, dass man es auf den Fotos gar nicht mehr richtig fassen kann.
      Ehrlich gesagt, musste ich häufiger an Crysis denken. Vor allem in den subtropischen Gebieten in denen dann Hütten mit Wellblechdach im Dickicht rumstanden. ^^

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