Aus dem Leben eines Abenteurers
 
Tag 2: Rifugio Sorgenti del Piave – Sappada

Tag 2: Rifugio Sorgenti del Piave – Sappada

Die erste Etappe des Dolomiten Höhenwegs 6 führte uns vom Rifugio Sorgenti del Piave nach Sappada. Mit 11,0 km Streckenlänge, 680 Höhenmeter Aufstieg und 1.260 Höhenmeter Abstieg war diese Etappe ein super Warm-up für die noch anstehenden deutlich anstrengenderen Etappen.

Ein frischer aber sonniger Morgen

Die Nacht war entspannt und deutlich kälter als erwartet. Das Thermometer zeigte lediglich 11°C und auf dem Zelt lag der Morgentau in großen runden Tropfen. Im Vergleich zu Deutschland, wo es mindestens 10°C wärmer war, eine ziemliche Umstellung für uns. Der Blick aus dem Zelt war traumhaft, da sich ein Teil der Dolomiten im Sonnenschein von seiner schönsten Seite zeigte.

Zelt mit Blick auf die Dolomiten
Zelt mit Blick auf die Dolomiten

8:00 Uhr ging es dann zum Frühstücksbuffet. Was ein Luxus aus dem Zelt zu krabbeln und sich an einen gedeckten Tisch setzen zu können. Das Buffet war zwar überschaubar aber alles was für ein gutes Frühstück benötigt wurde war vorhanden. Und sobald etwas nicht mehr verfügbar war, wurde sofort aufgefüllt.

Shuttle zum Startpunkt

Nach dem Frühstück ging es zur Rezeption. Gestern Abend hatte ich nämlich mit dem Personal eine Fahrt mit dem Shuttle zum Startpunkt Rifugio Sorgenti del Piave des Dolomiten Höhenwegs 6 vereinbart. Ohne Shuttle hätten wir die 7,8 km bis zum Startpunkt laufen müssen. Da allein auf dieser Strecke schon 600 Höhenmeter Aufstieg zu bewältigen gewesen wären, hätte bereits dieser nicht zum Dolomiten Höhenweg 6 gehörende Streckenabschnitt 3 bis 4 Stunden in Anspruch genommen. Zudem handelte es sich um eine eher unschöne Art Bergstraße, die zum Wandern nur bedingt geeignet war. Von daher freuten wir uns umso mehr, dass sich die Option mit dem Shuttle spontan ergeben hatte. Je nach Planung wäre es natürlich angenehmer die erste Nacht direkt in der bewirtschafteten Hütte Rifugio Sorgenti del Piave zu verbringen und von dort aus zu starten. In unserem Fall kam diese Option jedoch nicht infrage, da wir die Anreise bis zur Hütte im Vorfeld nicht klären konnten.

9:00 Uhr stiegen wir in den Shuttle und wie ein Rennfahrer prügelte der Fahrer das arme Auto die Bergstraße hinauf. Vermutlich fuhr er diese Strecke häufiger und wusste ganz genau wo er Kurven schneiden konnte, um jede wertvolle Sekunde Zeit zu sparen. Teilweise wurde mir da schon echt mulmig. 18 Minuten später endete unsere Fahrattraktion und wir standen an einem Parkplatz.

Blick auf die Dolomiten
Blick auf die Dolomiten

Rifugio Sorgenti del Piave

Ein Großteil der Parkplätze war belegt und eine größere Gruppe älterer Wanderer bereitete sich auf eine Tagestour vor. Anscheinend waren wir die einzigen Personen, die eine Mehrtagestour geplant hatten.

Sorgenti del Piave
Sorgenti del Piave

Nachdem wir uns an der Infotafel einen Überblick über die umliegenden Bergspitzen und Höhenmeter verschafft hatten, cremten wir uns erst einmal ordentlich mit Sonnencreme ein. Es war zwar teilweise bewölkt aber ich hatte mich in der Vergangenheit oft genug verbrannt und wollte das Experiment nicht erneut wagen. 9:40 Uhr starteten wird und legten noch die restlichen 700 m bis zum eigentlichen Startpunkt Sorgenti del Piave (deutsch: Quelle der Piave) zurück. Nachdem wir einen Blick auf die Quelle und das Rifugio geworfen hatten, starteten wir auch schon in die erste Etappe.

Aufstieg zum Passo del Mulo

Der Wanderweg war ein Traum und führte über saftige Wiesen und teilweise durch Nadelwälder. Vor uns war dauerhaft eine massive Gebirgswand der Dolomiten zu sehen. Ein genialer Anblick. Allerdings wussten wir auch, dass wir diese 655 m hohe Gebirgswand heute überqueren mussten. An welcher Stelle dies möglich sein sollte, konnten wir nur erahnen.

Je mehr wir uns der Gebirgswand näherten und immer mehr Höhenmeter aufstiegen, ließ die Vegetation langsam nach. Aus den Nadelbäumen wurden hüfthohe Sträucher und die freien Flächen waren mehr und mehr von Gräsern übersät. Der Pfad wurde schmaler und steiniger und führte nun längs an der Gebirgswand entlang und in einer moderaten Steigung weiter nach oben.

Aufstieg zum Passo del Mulo
Aufstieg zum Passo del Mulo

Nachdem wir nun einen freien Blick auf den bisher zurückgelegten Weg hatten, konnten wir feststellen, dass außer uns lediglich eine weitere Wandergruppe unseren Weg eingeschlagen hatte. Jedoch hatte diese Gruppe etwas mehr mit dem unwegsamen Gelände zu kämpfen und kam nur langsam voran. Alle anderen Gruppen hatten heute Morgen anscheinend für ihre Tageswanderungen einen der vielen alternativen Wege ausgesucht.

Überquerung abgerutschter Wege
Überquerung abgerutschter Wege

Auf dem weiteren Weg bestätigte sich unsere Erkenntnis vom Vortag, dass die Dolomiten vom Gestein her enorm porös sind. Denn der schmale Trampelpfad, der an der Gebirgswand entlangführte war an mehreren Stellen nicht mehr vorhanden. Anscheinend hatte es in letzter Zeit mehrere Erdrutsche bzw. Steinschläge in dem Areal gegeben, die jeweils mehrere Meter des Weges weggerissen hatten. Das schrie förmlich danach, dass diese Tour ein einziges Abenteuer wird. Bei bereits älteren Abrutschgebieten hatten sich bereits neue Trampelpfade gebildet, die ein einigermaßen sicheres Durchqueren der Schneisen ermöglichten. Wir hatten allerdings auch Erdrutschgebiete zu überqueren, die nur wenige Tage alt gewesen sein können. Denn dort war noch kein neuer Trampelpfad ersichtlich, so dass wir selbst einen einigermaßen sicheren Weg finden mussten. Somit hieß es kleine Schritte machen, mit den Trekkingstöcken einen sicheren Halt herstellen und an einigen Stellen die Hände zu nehmen, um über größere Hindernisse zu klettern.

Ein unerwarteter Regen

Gegen 12:00 Uhr wollten wir eine etwas längere Pause an einer geeigneten Stelle einlegen, da wir den Großteil der Gebirgswand erklommen hatten. Der Blick in das Tal, in dem auch unserer Startpunkt lag, war einfach ein Traum. Und auch die umliegenden Berge sahen wie gemalt aus. Weniger schön waren die vielen kahlen Stellen in den Wäldern und vor allem auf den vielen Hügeln, da auch hier der Borkenkäfer enorm gewütet hatte. Laut Aussage unseres Mietautofahrers waren wohl während der Corona-Pandemie jegliche Forstarbeiten untersagt, wodurch sich der Borkenkäfer ungehindert ausbreiten konnte. Aus unserer längeren Pause wurde jedoch nichts, da sich der Himmel mittlerweile komplett zugezogen hatte und es in diesem Moment anfing zu regnen…

Aufstieg bei Regen
Aufstieg bei Regen

Da hatte ich am Morgen extra im Wetterbericht geschaut, ob wir Regenkleidung benötigen und nun diese Überraschung. Da es heute theoretisch nicht hätte regnen sollen, hatten wir unsere Regenkleidung auf dem Campingplatz gelassen. Denn wir waren nur mit sehr leichtem Gepäck unterwegs. Ich hatte zwar meinen Trekkingrucksack auf, transportierte darin aber lediglich 4 Liter Wasser für Patrick und mich sowie ein paar Lebensmittel für eine Mittagspause. Uns fehlte somit die Ausrüstung, um bei Regen und kräftigerem Wind bei kühleren Temperaturen einfach still sitzen zu bleiben und eine Mittagspause einzulegen. Solange wir in Bewegung waren, war die Kälte erträglich.

12:15 Uhr erreichten wir auf 2.152 Höhenmetern die Ebene Sella Franza. Nun lagen noch 580 m Strecke bis zum Gebirgspass Passo del Mulo vor uns. Dieser sollte uns auf die andere Seite der Gebirgswand führen. Jedoch mussten wir hierzu noch 200 Höhenmeter aufsteigen, was in Anbetracht des relativ kurzen Weges ziemlich steil war. Erschwerend kam hinzu, dass es immer noch regnete und der eigentliche Weg zum Pass vollständig zerstört war. Ab und zu lag im Geröll ein Holzbalken, der vermutlich mal zum ursprünglichen Weg gehörte. Somit suchten wir uns auch an dieser Stelle einen geeigneten Pfad bis zum Pass. Wobei Pfad das falsche Wort ist, denn es handelte sich lediglich um eine Geröllpiste. Wir waren also primär damit beschäftigt vorsichtig zu treten, um nicht den steilen Berghang wieder runterzurutschen. Das Laufen nach dem Prinzip 2 Schritte nach vorn und einen wieder im Geröll runterrutschen war mir glücklicherweise schon durch andere Touren bestens bekannt.

Die erklommene Gröllpiste vom Standpunkt Passo del Mulo
Die erklommene Gröllpiste vom Standpunkt Passo del Mulo

12:50 Uhr erreichten wir dann nach 35 Minuten den auf 2.356 Höhenmeter gelegenen Gebirgspass Passo del Mulo und konnten die Täler auf beiden Seiten bewundern.

Mittagspause in einer Höhle

Der Regen ließ langsam nach aber das Wetter blieb unbeständig. Bevor wir den langen Abstieg in Angriff nehmen wollten, stand erst einmal Mittagessen auf dem Plan. Da wir auf der anderen Seite der Gebirgswand einige Höhlen im Gestein gesichtet hatten, kam die Idee auf in einer der Höhlen die Mittagspause einzulegen. So wären wir vor dem Regen und dem Wind geschützt. Glücklicherweise war bereits die 2. besichtigte Höhle ein Volltreffer.

Höhle hinter dem Passo del Mulo
Höhle hinter dem Passo del Mulo

Anscheinend hatte jemand eine natürliche Höhle weiter ausgebaut und sogar ein Fenster eingesetzt. Von 13:00 Uhr an pausierten wir für 30 Minuten und bewunderten die 3 unterschiedlich großen Bergseen, die alle Laghi d’Olbe hießen. Mir ging dann die Gruppe Wanderer durch den Kopf, die wir am Fuße der Gebirgswand hinter uns gesehen hatten. Irgendwann hatten wir sie aus den Augen verloren. Ob sie wohl die vielen abgerutschten Wege überqueren und sich bei Regen die Geröllpiste hochkämpfen würden oder ob sie die Tagestour vielleicht doch abgebrochen haben?!

Abstieg nach Sappada

Gestärkt machten wir uns auf den Rückweg nach Sappada. Der Weg bergab war naturgemäß deutlich einfacher, auch wenn beim Treten mehr aufgepasst werden musste, da der Trampelpfad nur aus losem Gestein bestand. Der Weg führte uns am größten der 3 Laghi d’Olbe Seen entlang.

Bergsee Laghi d’Olbe
Bergsee Laghi d’Olbe

Zu unserer Überraschung relaxten dort ca. 20 Kühe. Die müssen dort ein traumhaftes Leben haben. Sogar einen eigenen Badesee hatten sie dort zur Verfügung. Der weitere Weg führte uns wieder über Wiesen und durch Wälder. Ein traumhaftes Gebiet um die Seele baumeln zu lassen. Leider erwischten uns aber auch beim Abstieg einige Schauer.

Pause an Baumschnitzerei
Pause an Baumschnitzerei

Die letzten 2,8 km hatten es mit 460 Höhenmetern Abstieg nochmal in sich. Denn es handelte sich um eine Straße, die keinerlei Abwechslung für die Füße und Sehnen bot. Somit war die einseitige Dauerbelastung mit der Zeit schmerzhaft für die Sehnen. Da hatte ich sofort Sorge, dass dies dauerhafte Schmerzen hinterlassen könnte, die mich auf den kommenden Etappen beeinträchtigen könnten. Mit ausreichend Pausen konnten wir dieses Problem glücklicherweise umgehen.

Abendprogramm

16:08 Uhr erreichten wir dann den Ortskern von Sappada. Da ich unbedingt eine echte italienische Pizza Tonna essen wollte, fassten wir den Plan eine Pizzeria anzusteuern. Zu unserer Verwunderung mussten wir feststellen, dass diese erst 17:00 Uhr öffnet. Somit suchten wir uns ein ruhiges Plätzchen und warteten eine Stunde bis zur Öffnung des Restaurants. Kurz nach 17:00 Uhr betraten wir erwartungsvoll das Restaurant, jedoch war das Personal nicht erfreut uns zu sehen. Mit der Info, dass es Pizza erst ab 18:00 Uhr gibt ließ uns das Personal dumm im Restaurant stehen. Anscheinend hatte man hier eine Aversion gegen Kunden. Nach diesem Erlebnis hielt sich mein Elan in Grenzen noch eine weitere Stunde zu warten. Wir machten uns daher zu Fuß auf den Weg zu unserem Campingplatz und bewunderten unterwegs die vielen schönen Häuser in Sappada.

Malerische Häuser im Ortskern von Sappada
Malerische Häuser im Ortskern von Sappada

Zurück am Campingplatz meldete ich uns für das Abendbrot an. Zusätzlich reservierte ich für den morgigen Tag erneut ein Shuttle, dass uns zum Startpunkt der 2. Etappe bringen sollte. Nachdem alle organisatorischen Punkte geklärt waren, kehrten wir zum Zelt zurück. Die restliche Zeit bis zum Abendbrot nutzte ich, um einen meiner Trekkingstiefel zu reparieren. Eigentlich hatte ich mir neue wasserdichte Trekkingstiefel gekauft, die für diese Tour gedacht waren. Jedoch löste sich bereits nach einer ersten 6-tägigen Tour durch das Rothaargebirge gegen Ende Juni eine Naht am Außenschuh. Daher schickte ich die Schuhe zur Reparatur ein. Bedauerlicherweise waren die Schuhe auch nach 9 Wochen noch nicht aus der Reparatur zurück, so dass ich meine bereits ausrangierten Trekkingstiefel herauskramen musste. Da ich mit diesen Schuhen bereits über 1.000 km Strecke zurückgelegt hatte, waren sie entsprechend abgenutzt. Unglücklicherweise war einer der Schuhe zudem auf der Innenseite am oberen Fersensporn leicht eingerissen. Hinderlich aber kein Hindernis. Die defekte Stelle ließ sich dann mit einem Cuttermesser und etwas Gewebeklebeband reparieren. Die notdürftige Reparatur sollte hoffentlich mehr als einen Tag überleben. Während ich meinen Schuh startklar machte, trockneten wir unsere Ausrüstung in der untergehenden Sonne.

Gegen 18:30 Uhr machten wir uns auf den Weg ins Restaurant. Für mich gab es dann Kalbsmedaillons mit Bratkartoffeln. Die Portion war zwar relativ klein aber sehr lecker. Da es gegen 20:15 Uhr bereits komplett dunkel war, legten wir uns ins Zelt und quatschten noch ein bisschen. Die erste Etappe war bereits deutlich erlebnisreicher als erwartet. Auch vom Anstrengungsgrad her ging es heute bereits in die Vollen, wobei wir ohne bzw. nur mit leichtem Rucksack unterwegs waren. Der Anstrengung geschuldet schliefen wir bereits gegen 21:00 Uhr ein.

Weitere Impressionen des Tages

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