Aus dem Leben eines Abenteurers
 
Tag 6: Casera Laghet de Sora – Cimolais

Tag 6: Casera Laghet de Sora – Cimolais

Die heutige Etappe sollte mich eigentlich zum Bivacco Greselin führen. Allerdings kam wieder einmal alles anders als geplant, so dass meine Tagesetappe deutlich länger und anspruchsvoller ausfiel.

Morgendliche Vorbereitung in der Casera Laghet de Sora

Nach über 10 Stunden Schlaf startete mein Tag um 6:45 Uhr. Auch in diesem Fall war der Schlaf aufgrund der Matratze sehr erholsam. Dass ich trotzdem über 10 Stunden Schlaf benötigt hatte, zeigte allerdings sehr deutlich, wie anstrengend der gestrige Tag war.

Mein erster Blick wanderte zum Fenster und ich konnte meinen Augen kaum glauben. Ich konnte blauen Himmel sehen. Erstaunt kroch ich über die Matratzen zur Tür und warf einen Blick nach draußen. Die Wolkendecke hatte sich über Nacht tatsächlich mehrere hundert Meter abgesenkt, so dass ich nun von oben auf die Wolkendecke gucken konnte und über mir den blauen Himmel sah. Immer wieder ein genialer Anblick. Vor allem konnte ich nun endlich alle umliegenden Bergspitzen sowie die einzelnen Berghänge bewundern.

Blick von der Casera Laghet de Sora
Blick von der Casera Laghet de Sora

Da ich gestern nicht wirklich viel zum Abendbrot gegessen hatte und es nun nach dem Aufstehen ziemlich kalt war, entschied ich mich dazu einen Jägertopf mit Rindfleisch und Nudeln zum Frühstück zuzubereiten. Somit schnappte ich mir den Gaskocher, kochte Wasser auf und goss es in die Trekking Food Packung. Nachdem ich mit dem Essen fertig war, sammelte ich meine Ausrüstung zusammen und verpackte diese im Rucksack. Um die Schutzhütte sauber zu hinterlassen, fegte ich zum Abschluss noch die komplette Hütte aus.

Frühstückszubereitung
Frühstückszubereitung

7:45 Uhr ging es dann los. Bevor ich in die eigentliche Etappe starten konnte, machte ich noch einen kleinen Abstecher zum gestern überquerten Bach. Denn laut meinem Kartenmaterial sollte es bis zum Abschluss der heutigen Etappe keine einzige Möglichkeit geben neues Trinkwasser aufzunehmen. Zudem war unklar, ob die Quelle am Zielort überhaupt Wasser führen würde. Daher trank ich so viel Wasser wie möglich und füllte anschließend meine 3 Wasserflaschen vollständig auf. Damit sollte ich im Notfall mit entsprechender Rationierung auch bis in den nächsten Tag hinein mit ausreichend Wasser versorgt sein.

Abenteuer auf dem Weg zum Gebirgspass Forcella Val de Drap

Mein erstes Ziel war der auf 2.284 Höhenmeter gelegene und 2,2 km entfernte Gebirgspass Forcella Val de Drap. Somit durfte ich direkt nach dem Frühstück 450 Höhenmeter total unwegsames Gelände aufsteigen. Die Wolkendecke folgte mir in die Höhe, so dass die Schutzhütte relativ schnell in den Wolken versank. Der Weg war größtenteils nur schwer zu sehen bzw. zu erahnen und konnte nur durch rot leuchtende Wegmarkierungen erkannt werden. Da in den durch Gras bedeckten Gebieten keine ausgetretenen Pfade ersichtlich waren und sich auf die bodennahe Vegetation sehr viele Wassertropfen gelegt hatten, dauerte es nicht lange, bis meine Schuhe wieder komplett nass waren. Schließlich sammelte ich mit jedem Schritt neue Wassertropfen auf. Somit war mir bereits klar, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis meine Schuhe und Socken wieder durchgeweicht sind.

Weg zum Gebirgspass Forcella Val de Drap
Weg zum Gebirgspass Forcella Val de Drap

Nachdem ich an einem alten Schneefeld vorbeigezogen war, wurde das Terrain rauer. Die Vegetation verschwand, es zogen Wolken auf und der Weg war aufgrund eines nur noch aus Gestein bestehenden Areals gar nicht mehr zu sehen. Während ich mich umsah, bemerkte ich, dass ich beobachtet wurde. Am Horizont waren in den Wolken mindestens 10 Rehe zu sehen, die ihren Kopf zu mir gedreht und jeden meiner Schritte beobachtet hatten. Ich blieb natürlich stehen und beobachtete das Geschehen – und die Rehe mich. Irgendwie sah es lustig aus, die Silouetten mit den Öhrchen zu sehen.

Die Beobachter!
Die Beobachter!

Da mich mein Weg mit viel Abstand an den Rehen vorbeiführte, mussten diese nicht vor mir flüchten und konnten weiter ihrem Rehalltag nachgehen. Es dauerte nicht lange und dann flitzte ein Murmeltier durch die Steinlandschaft. Das war ebenfalls ein interessanter Anblick. Auch während einer meiner Pausen sprang ein etwas größeres Tier zwischen den großen Felsbrocken umher und verursachte entsprechenden Lärm. Ich vermutete, dass es sich um einen Steinbock gehandelt haben muss, bekam das Tier aber leider nicht zu Gesicht.

Der weitere Verlauf des Dolomiten Höhenwegs 6 war dann sehr abenteuerlich. Es ging durch Gebirgsareale, in denen der Boden nur noch aus Gestein bestand und somit kein Weg sichtbar war. Die Wegmarkierungen waren ebenso schwer zu erkennen, so dass ich an vielen Stellen auf und ab laufen musste, in der Hoffnung irgendwo eine rote Markierung aufblitzen zu sehen. Die Wolken erschwerten mir die Suchen an vielen Stellen, da mein Sichtfeld somit teilweise stark eingeschränkt war. Aber Stück für Stück arbeitete ich mich voran. An einigen Stellen waren die Wege so steil, dass sogar Klettereinlagen notwendig waren. Und mit schwerem Rucksack im brüchigen Gestein zu klettern war schon eine ganz eigene Herausforderung.

Kletterei auf dem Weg zum Gebirgspass Forcella Val de Drap
Kletterei auf dem Weg zum Gebirgspass Forcella Val de Drap

Letztendlich erreichte ich trotzdem den Gebirgspass Forcella Val de Drap.

Anspruchsvoller Abstieg vom Gebirgspass Forcella Val de Drap

Mein nächstes Ziel war die Kreuzung, an der die Entscheidung getroffen werden musste, ob ich über einen vermutlich kaum erkennbaren und wilden Hochgebirgsweg zum 4,1 km entfernten Bivacco Greselin laufen möchte oder ich einen 13,0 km, mir komplett unbekannten Weg einschlage. Letztendlich waren beide Optionen aufgrund der Wegbeschaffenheit und der Höhenprofile nicht wirklich attraktiv. Meine gestrigen Bedenken hinsichtlich dem Ziel Bivacco Greselin waren weiterhin vorhanden. Vor allem, da das Wetter heute weiterhin sehr schlecht war. Meine Schuhe waren zudem schon wieder seit längerer Zeit komplett durchgeweicht und die Sichtweite war wieder einmal auf ein Minimum beschränkt.

Schlechte Sicht und schwer erkennbare Wegmarkierungen
Schlechte Sicht und schwer erkennbare Wegmarkierungen

Um die Kreuzung zu erreichen, lag nun wieder ein Abstieg vor mir. Dieser sollte aber alle bisherigen Abstiege in den Schatten stellen, da auf einer Strecke von 970 m ganze 427 Höhenmeter abgestiegen werden mussten. Das war in einigen Abschnitten einfach enorm steil. Hinzu kam, dass die Steine und und sämtliche Vegetation nass war. Wie sich ein Abstieg in solch einem steilen Gelände bei nassem Untergrund gestaltete kann sich vermutlich jeder selbst ausmalen.

Der Weg führt direkt vor mir nach unten.
Der Weg führt direkt vor mir nach unten.

Der Abstieg war einfach nur mühsam, da ich kontinuierlich abbremsen musste. Ein Tritt auf loses Gestein oder einmal zu sehr in Bewegung gekommen und es wäre im unkontrollierten Eiltempo den Berghang hinab gegangen. Erschwerend kam auch hier hinzu, dass kein Weg mehr ersichtlich war und die Wegmarkierungen teilweise kaum oder gar nicht zu sehen waren. Das Etablieren eines Trampelpfads ist somit auch für die Zukunft nahezu unmöglich, da sich jeder einen anderen einigermaßen begehbaren Weg sucht.

Richtungsweisender Sturz

10:41 Uhr passierte 120 m vor der angepeilten Kreuzung genau das, was ich schon die ganze Zeit befürchtet hatte. Vor mir lag eine enorm steile Stelle, an der es mehrere Meter nach unten ging. Somit ging ich in die Hocke, da ich meine Beine langsam nach unten gleiten lassen wollte, um einen Felsvorsprung zu erreichen. Vorher sicherte ich meinen Halt, indem ich meine Trekkingstöcke fest in den Felsvorsprung rammte. Schließlich hat man nie die Sicherheit ausreichend Halt zu haben, sobald die Beine auf einem Felsvorsprung aufsetzen. In diesem Fall war es tatsächlich so, dass der Halt fehlte. Das auf dem Felsvorsprung gewachsene Gras war durch die Nässe dermaßen rutschig, dass es mir beide Beine mit Schwung nach vorne wegriss. Glücklicherweise waren meine Trekkingstöcke ausreichend im Felsvorsprung verankert, so dass ich mich mit ganzer Kraft festhielt und somit einen Rutsch nach unten abfangen konnte. Somit stürzte ich lediglich mit vollem Schwung auf meinen Rücken, der durch den Trekkingrucksack geschützt war. Da so viel Masse in Bewegung war und sich durch den Sturz auf den Hüftgurt des Rucksacks entlud, gab es plötzlich ein lautes Knacken und die Gürtelschnalle meines Trekkingrucksacks brach. Alles passierte innerhalb einer Sekunde, so dass ich erst im Nachhinein realisierte was passiert ist. Nun brauchte ich erst einmal einen Moment, um mich wieder zu fangen.

Kurz nach dem Sturz erst einmal erholen. Es ist auch ansatzweise zu sehen wie steil es dort war.
Kurz nach dem Sturz erst einmal erholen. Es ist auch ansatzweise zu sehen wie steil es dort war.

Der Hüftgurt (inkl. der wichtigen Gürtelschnalle) sorgt dafür, dass sich ein Teil des Rucksackgewichts auf das Becken verlagert. Ohne diese Gewichtsverlagerung ist das Tragen eines schweren Rucksacks auf Dauer eine ziemliche Qual, da die Nacken- und Rückmuskulatur irgendwann komplett erschöpft ist und ein weiteres Tragen des Rucksacks kaum noch möglich ist. Hinzu kommt das Problem, dass der Rucksack ohne Hüftgurt keinen Halt mehr auf dem Rücken hat und bei Kletteraktionen unkontrolliert auf dem Rücken umherrutscht. Ein ziemlich großes Risiko bei solch einer Tour im wilden Gebirgsraum. Somit ergab sich die Entscheidung, die ich eigentlich erst in 120 m Entfernung an der Kreuzung treffen wollte, von selbst. Das Einschlagen eines kaum begangenen Gebirgswegs, der einige Kletterpassagen bereithalten dürfte, wäre mit einer gebrochenen Gürtelschnalle einfach unverantwortlich.

Konsequenzen der Entscheidung

Nachdem ich die Kreuzung erreicht hatte, legte ich eine längere Pause ein. Der steile Abstieg und der Sturz hatten mich körperlich ganz schön in Anspruch genommen. Da ich während des Abstiegs mit meinen nassen Socken in den nassen Schuhen umherrutschte, zog ich meine Schuhe und Socken aus. Ich hatte die letzte Stunde über bereits Schmerzen an den Füßen und war gespannt, was mich nun erwarten würde. Die Nässe und das Umherrutschen hatten dafür gesorgt, dass sich an 5 Stellen an der Oberseite der Zehen die Haut bis auf das Fleisch abgerubbelt hatte. Somit war mir nun auch klar woher die Schmerzen kamen. Ich resümierte, dass ich nun bei täglichem Regen, nahezu keiner Sicht, mit verletzten Füßen, nassen Schuhen und einer gebrochenen Gürtelschnalle unterwegs war. Viele kleine Herausforderungen, die insgesamt zu einem größeren mentalen Kampf wurden.

Traumhaft schöner Ausblick
Traumhaft schöner Ausblick

Da die Entscheidung nun gefallen war, dass ich nicht den Weg zum Bivacco Greselin einschlagen würde, suchte ich rein interessehalber an der Kreuzung den Weg zum Bivacco Greselin. Aber egal wie lange und gründlich ich suchte, ich konnte weder einen Trampelpfad noch eine einzige Wegmarkierung entdecken. Nur laut GPS konnte ich die Richtung ausmachen, wo theoretisch ein Weg hätte sein sollen. Da die dicken grauen Wolken enorm tief hingen, war es nicht einmal möglich die Oberkante des zu besteigenden Bergs zu sehen. Somit erübrigte sich die letzte Option einen möglichen Weg zu erspähen. Wäre meine Gürtelschnalle nicht gebrochen, wäre es also fraglich gewesen, ob ich den Weg überhaupt hätte gehen können. Einerseits wäre es sehr mühsam gewesen, sich einen eigenen Weg durch komplett unwegsames Gelände zu suchen und andererseits wäre es ziemlich gefährlich gewesen, sich in eine dunkle Wolke zu begeben, die zudem jegliche Orientierung in einem kaum erschlossenen Gebiet verhindert hätte.

Der potentielle Weg zum Bivacco Greselin müsste diese Bergwand hinaufführen.
Der potentielle Weg zum Bivacco Greselin müsste diese Bergwand hinaufführen.

Was sollte mich jetzt stattdessen erwarten? Ich prüfte mein Kartenmaterial und sah, dass nun noch 13,0 km bis zur nächsten Hütte vor mir liegen würden. Da nun aus den geplanten 4,1 km auf einmal 13,0 km wurden und sich meine Gesamtetappe in diesem anspruchsvollen Gelände von 7,1 km auf 16,0 km erweiterte, hielt sich meine Freude in Grenzen. Ich hatte nun bereits 467 Höhenmeter bergauf und 464 Höhenmeter bergab zurückgelegt. Das Höhenprofil für die nun vor mir liegende Restetappe zeigte mir einen Aufstieg von 963 Höhenmetern und einem Abstieg von 1.271 Höhenmetern. Das sollte also noch ein sehr langer Tag werden und ich freundete mich bereits mit dem Gedanken an, notfalls irgendwo das Zelt aufschlagen zu müssen.

Der Weg nach unten...
Der Weg nach unten…

Auf den nächsten 1000 Metern Strecke sollte nun ein Abstieg von 537 Höhenmetern auf mich warten. Als mir bewusst wurde, dass dieser Abstieg noch steiler wird, als der Abstieg der nun hinter mir lag und mir einen Sturz beschert hatte, wurde mir schon etwas anders. 537 Höhenmeter auf 1000 Meter Strecke bedeutet pro zurückgelegten Meter einen halben Meter Abstieg. Wenn man das einmal so runterbricht, wird einem erst einmal richtig bewusst was das bedeutet. Vor allem sind die Höhenmeter nicht gleichmäßig über den Berghang verteilt, so dass für jede einigermaßen ebene Fläche ein umso steilerer Abstieg auf mich wartete. Wie vermutet war der Abstieg dann wirklich brutal und technisch echt anspruchsvoll. An einigen Stellen musste geklettert werden, was mit einem schweren Rucksack nahezu unmöglich war. Die Bewegungsfreiheit war so stark eingeschränkt, so dass ich nicht sehen konnte, wohin ich den nächsten Fuß setzen musste. Einige andere Abschnitte waren dermaßen steil, dass ich meinen Rucksack absetzen musste, um erst runterzuklettern und dann den Rucksack vom höher gelegenen Punkt runterzuziehen. Da der Weg nicht oft verwendet wurde, waren Teile des Weges bereits komplett zugewachsen, so dass ich mir 2 Macheten wünschte, um den Weg freihacken zu können. All diese Herausforderungen sorgten dafür, dass ich für die 1000 Meter Strecke fast 1,5 Stunden benötigte, so dass ich im Durchschnitt mit schneckenhaften 0,7 km/h unterwegs war.

Irgendwann muss auch ich mich geschlagen geben!

Nachdem ich mich durch weitere stark zugewachsene Gebiete geschlagen und den restlichen aber moderaten Abstieg hinter mich gebracht hatte, stieß ich wieder auf einen Forstweg. Zivilisation! Der Forstweg war im Vergleich zu dem eben erlebten Abenteuer ziemlich langweilig und führte permanent bergab durch einen Wald. Das war meine Gelegenheit um wieder etwas Zeit gutzumachen.

2,2 km später überquerte ich einen Fluss und stieß auf einen Parkplatz. Anscheinend war ich nun so nah an der Zivilisation, dass es sich hier um ein Ausflugsziel handelte, das tatsächlich mit einer asphaltierten Straße angebunden war. Auf dem Parkplatz standen sogar einige Autos und auch ein paar Spaziergänger waren zu sehen.

Kleine Pause an der Furt
Kleine Pause an der Furt

Meine Füße schmerzten. Einerseits durch die abgeriebene Haut und andererseits durch den doch recht flachen Forstweg, der meine Füße ziemlich einseitig belastet hatte. Somit setzte ich mich in die Sonne und zog meine Schuhe und Socken zum Trocknen aus. Ja, da unten im Tal schien tatsächlich die Sonne, so dass ich mich fragte, ob ich mich wirklich noch in den italienischen Dolomiten aufhalte! Vor 2 Stunden war ich schließlich noch in Regenwolken unterwegs. Einige der Spaziergänger beobachteten mich verwundert und fragten sich vermutlich was dieser runtergekommene Obdachlose dort am Flussbett macht. Ich freute mich hingegen, dass die Sonne meine Socken trocknete.

Nun lagen 5,6 km Straße vor mir. Der absolute Horror. Ich konnte die Strecke zwar schnell zurücklegen und aufgrund des super Wetters die Dolomiten zum ersten Mal bei klarer Sicht so richtig genießen aber meine Füße befanden sich gefühlt in der Hölle. Dieser kontinuierliche flache Auftritt auf die Straße mit der immer gleichen Belastung sorgte dermaßen schnell für Schmerzen. Nachdem ich die letzten Tage komplett ohne eine einzige Blase davongekommen war, spürte ich nun förmlich wie sich mehrere Blasen bildeten. Meine Fußsohlen brannten förmlich. Erschwerend kam hinzu, dass meine Nacken- und Rückmuskulatur durch den nicht mehr nutzbaren Hüftgurt komplett erschöpft war und schmerzte. Daher schob ich den Rucksack alle paar Minuten auf meinem Rücken an eine andere Stelle, um irgendwie ohne ständige kleine Pausen weiterlaufen zu können. Wie ich auf diese Weise noch weitere Etappen bestreiten sollte, bereitete mir zunehmend Sorgen.

Der Anblick der Natur linderte etwas meine Schmerzen.
Der Anblick der Natur linderte etwas meine Schmerzen.

Am Ende der Straße erwartete mich dann die nächste böse Überraschung. Vor dem Wanderweg, den ich hätte einschlagen müssen, stand ein halber Schilderwald. Im Kern sagten alle Schilder aus, dass der Weg gesperrt ist, da entwurzelte und vom Wind umgerissene Bäume mit schwerem Gerät entfernt werden.

Eines der Warnschilder.
Eines der Warnschilder.

In der Ferne konnte ich bereits Bagger sehen, die an einem steilen Berghang mit unzähligen umgestürzten Bäumen standen. So ein gesperrter Wanderweg hält mich normalerweise nicht davon ab, mir trotzdem einen Weg durch die Natur zu suchen. Allerdings war mit diesem Problem mein persönliches Limit erreicht, so dass ich nach längerer Überlegung tatsächlich die Entscheidung traf die Tour an dieser Stelle zu beenden. Einerseits war ich insgeheim erleichtert, dass die Quälerei nun ein Ende finden sollte und andererseits ärgerte ich mich die Tour an dieser Stelle zu beenden.

Und wie geht es jetzt weiter?

Ein Blick auf mein Kartenmaterial verriet mir, dass in 3,0 km Entfernung der Ort Cimolais liegen sollte. Die Entfernung war relativ kurz, da ich durch die Entscheidung an der Kreuzung den Weg in Richtung Zivilisation eingeschlagen und somit die Wildnis verlassen hatte. Die 3,0 km waren natürlich wieder Asphaltstraße und malträtierte somit meine Füße. Im Ort Cimolais versuchte ich ein Hotel zu finden und klapperte alle im Kartenmaterial aufgeführten Adressen ab. Mit Ausnahme eines Hotels waren alle anderen Optionen geschlossen. Und in dem einen Hotel war lediglich eine junge Aushilfe zu finden, die zudem keinen Zugriff auf die Buchungsunterlagen hatte. Daher konnte mir auch keine Auskunft gegeben werden, ob noch ein Zimmer frei ist. Es wurde lediglich die Möglichkeit angeboten ca. 1,5 bis 2 Stunden zu warten, bis der Hotelinhaber wieder zurück sei. Dieses Angebot schlug ich aus. Wenn im schlimmsten Fall kein Zimmer mehr zur Verfügung gestanden hätte, dann hätte die Uhr ca. 18:00 Uhr angezeigt und ich hätte nur noch eine Stunde bis zur Dämmerung gehabt, um eine Alternativlösung zu finden. Glücklicherweise hatte ich auf dem Weg nach Cimolais spontan einen Campingplatz am Wegesrand entdeckt. Somit lief ich wieder 1,5 km die Asphaltstraße zurück, quälte meine Füße noch etwas und trauerte einer entspannten Nacht in einem Hotel nach.

Kaum vorstellbar, dass ich jeden Tag im Regen laufen musste.
Kaum vorstellbar, dass ich jeden Tag im Regen laufen musste.

Angekommen am Campingplatz suchte ich die Rezeption. Diese war lediglich durch einen Italiener besetzt, der zudem nahezu kein Englisch konnte. Anscheinend wurde dieser Campingplatz wenig von ausländischen Touristen frequentiert. Nachdem ich einen Stellplatz gebucht hatte, schaute ich mich auf dem Campingplatz etwas genauer um. Er wirkte ziemlich trostlos und es waren nur wenige Personen anwesend. Meinen Plan mir eine warme Mahlzeit und zuckerhaltige Getränke zu gönnen musste ich schnell wieder verwerfen, da dieser Campingplatz einfach gar nichts im Angebot hatte. Dabei wäre ich sogar bereit gewesen einen hohen Aufpreis zu zahlen. Anscheinend hatte der Campingplatzbesitzer kein Interesse Geld zu verdienen. Nachdem es nichts zu essen und zu trinken gab, wollte ich eine mögliche Rückreiseroute recherchieren. Von daher fragte ich beim Campingplatzbesitzer die WLAN-Informationen an. Dabei stellte sich heraus, dass es erst gar kein WLAN gibt. Nicht einmal gegen Bezahlung. Wo bin ich hier gelandet?! Da ich nicht genügend Datenvolumen für eine ausführliche Recherche hatte, kontaktierte ich Patrick, der mittlerweile wieder in Berlin war. Er half mir dann dankenswerterweise eine passende Route zu ermitteln. Nachdem ich nach abgeschlossener Recherche den Startbahnhof für meine morgige Rückreise kannte, suchte ich wieder den Campingplatzbesitzer auf, um ihn darum zu bitten mir für den nächsten Morgen ein Taxi bzw. ein Mietauto mit Fahrer zu rufen. Ärgerlicherweise weigerte er sich und lies mich ohne weitere Hilfe einfach stehen. Auf was für einem hinterwäldlerischen Campingplatz war ich hier nur gelandet. Somit sollte meine Abreise wohl noch etwas komplizierter werden.

Ausblick vom Campingplatz
Ausblick vom Campingplatz

Den restlichen Abend nutzte ich um ein paar Kleinigkeiten aus meinem Rucksack zu essen und gönnte mir eine Dusche. Schließlich wollte ich auf meiner Rückreise nicht unnötig stinken und meinen Mitreisenden das Leben unnötig schwer machen. Die Dusche war erstaunlicherweise kostenlos.

Mein Nachtlager auf dem Campingplatz.
Mein Nachtlager auf dem Campingplatz.

Ich baute dann das Zelt auf und lies es erst einmal trocknen. Schließlich mussten wir es nach der letzten Zeltübernachtung nass einpacken. Es waren zwar fast keine Gäste auf dem Campingplatz aber neben mir hatten eine italienische Familie und ein mit der Familie befreundetes Pärchen ihre Zelte aufgebaut. Da sie einen Campingtisch, Grillutensilien und Wein dabei hatten, luden sie mich netterweise zu einem Glas Wein ein. Da ich allerdings ziemlich erschöpft war und Alkohol kontraproduktiv gewesen wäre, lehnte ich dankend ab, freute mich aber über diese Gastfreundschaft. Hinzu kam, dass wir uns nicht hätten unterhalten können, da sie leider kein Englisch gesprochen haben. 19:00 Uhr war ich nach so einem dermaßen turbulenten und abenteuerreichen Tag bereits fertig für die Nachtruhe. Vor lauter Erschöpfung schlief ich bereits gegen 20:15 Uhr ein.

Weitere Impressionen des Tages

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