Das Ziel der 2. Etappe Rifugio Tenente Giuseppe Fabbro konnten wir aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen nicht wie geplant erreichen. Daher mussten wir nach 14,0 km (957 Höhenmeter bergauf, 733 Höhenmeter bergab) ein Notbiwak am Casera Campo in Anspruch nehmen.
Start in einen neuen Tag
Der gestrige Tag war wohl anstrengender als gedacht. Denn obwohl wir gestern schon zeitig eingeschlafen sind, begann unser heutiger Tag nach 10 Stunden Schlaf erst gegen 7:00 Uhr. Die Temperatur lag wieder um die 11°C, so dass es relativ frisch war. Da das Frühstücksbuffet erst ab 8:00 Uhr zur Verfügung gestellt wurde, bauten wir in der Zwischenzeit das Zelt ab und packten unsere Ausrüstung zusammen. Punkt 8:00 Uhr ging zum Frühstück, bei dem ich mir ordentlich den Bauch vollschlug. Schließlich musste die Energie reichen, um mich durch den ganzen Tag zu bringen.
Nachdem der Check-out abgeschlossen und die Gesamtrechnung bezahlt war, warteten wir auf das Shuttle. Denn dieses war auf dem Weg zum Rifugio Sorgenti del Piave. Unser Rennfahrer war also wieder am Trainieren. 9:40 Uhr ging es dann mit dem Shuttle zum 4,0 km entfernten Ortskern Sappada Plodn – der Startort unserer 2. Etappe.
Aufstieg zum Gebirgspass Passo Elbel
9:50 Uhr ging es dann endlich los. Diesmal allerdings mit einem ca. 17 kg schweren Trekkingrucksack auf dem Rücken. Die Leichtigkeit von gestern war somit Geschichte. Bei blauem Himmel und Sonnenschein verließen wir Sappada und liefen weiter Richtung Süden entlang des schmalen Flusses Rio Storto. Vor uns lag wieder einmal ein gewaltiger Gebirgszug, der traumhaft anzusehen war und zudem von uns überquert werden wollte.
Der sehr gut ausgebaute Wanderweg endete irgendwann und wurde zu einem Trampelpfad, der sich durch die Natur schlängelte. Das links neben uns verlaufende Flussbett wurde mit zunehmenden Aufstieg immer breiter und führte irgendwann kein Wasser mehr. Vermutlich war dies auch der Grund warum der Trampelpfad irgendwann direkt ins Flussbett führte. Der weitere Weg verlief dann im Flussbett, was das Vorankommen aufgrund des schwer erkennbaren Trampelpfads und mit Klamotten übersäten Untergrunds erschwerte.
Auf der bisher 5,2 km zurückgelegten Strecke hatten wir lediglich einen Aufstieg von 276 Höhenmetern zu bewältigen. Somit war der bisherige Teil der Strecke wirklich Entspannung pur und bei dem schönen Wetter und der üppigen Natur so wie man es sich wünscht. Der Schwierigkeitsgrad sollte dann aber enorm anziehen. Unser Ziel war der auf 1.963 Höhenmetern gelegene Gebirgspass Passo Elbel und um diesen zu erreichen war ein herausfordernder Aufstieg von 560 Höhenmetern notwendig.
Die erste Hälfe des Aufstiegs bestand ausschließlich aus kleinen Serpentinen, die steil durch die Vegetation den Berghang hinaufführten. Der Aufstieg war insbesondere mit dem Rucksack eine gute Belastungsprobe. Da jeder sein eigenes Tempo lief und Patrick etwas mehr mit dem Aufstieg zu kämpfen hatte, war ich kurze Zeit später mit größerem Abstand weiter vorne unterwegs. Nach einiger Zeit tat sich ein Wasserfall auf, der perfekt zum Auffüllen der Wasserflaschen geeignet gewesen wäre. Da es aber temperaturtechnisch noch etwas frischer war und wir auf der Schattenseite des Bergs liefen, waren unsere Wasservorräte noch ausreichend gefüllt. Der Wasserfall hatte am Fuße ein großes Becken geformt, was förmlich zum Baden einlud. Nur war es einfach viel zu frisch, so dass ich den Gedanken sofort wieder verwarf. Während ich am Wasserfall pausierte, schloss Patrick zu mir auf, so dass wir den Wasserfall dann einige Zeit gemeinsam aus nächster Nähe bewunderten.
Einige Abschnitte des anschließend folgenden Trampelpfads waren dann etwas anspruchsvoller, so dass bspw. Drahtseile zum Hochziehen im Gestein verankert waren. Bei schönem Wetter nicht wirklich notwendig aber bei Regen vermutlich nicht verkehrt, eine zusätzliche Sicherheit zu haben. Ich setzte den Aufstieg in meinem Tempo fort und Patrick folgte mit Abstand, da er weiterhin mit dem Aufstieg zu kämpfen hatte. Nachdem der Großteil des Aufstiegs gemeistert war, nahm der Wald stark ab. Bis zum Gebirgspass Passo Elbel führte dann ein kleines Tal, dass nahezu keine Bäume mehr aufwies. Dafür legte sich eine dichte grüne Wiese wie ein Teppich über die Gebirgslandschaft, aus der vereinzelt große weiß leuchtende Felsbrocken herausragten.
Gebirgspass Passo Elbel
Nachdem ich das Tal passiert hatte, erreichte ich gegen 14:10 Uhr den Gebirgspass Passo Elbel. Nach diesem schweißtreibenden Aufstieg war nun erst einmal eine längere Pause vorgesehen. Einerseits wollte ich etwas Nahrung zu mir nehmen, um meinem Körper ausreichend Energie zur Verfügung zu stellen und andererseits wollte ich natürlich auf Patrick warten. Denn er hatte beim weiteren Aufstieg zunehmend mehr mit seiner Kondition sowie körperlichen Gesamtverfassung zu kämpfen.
Auf dem Gebirgspass Passo Elbel war es ziemlich windig und somit ungemütlich. Ich suchte mir daher eine Kuhle, die von großen Feldbrocken umgeben und somit relativ windgeschützt war. Um Energie zu tanken, gönnte ich mir Snickers und einen Quetschie. Patrick trudelte dann auch ein und pausierte mit mir. Insgesamt hatten wir nun 835 Höhenmeter zurückgelegt und somit fast den für heute geplanten Aufstieg hinter uns gebracht. Die restliche Etappe sollte somit etwas entspannter werden. Da der Wind noch kräftiger wurde und viele dunkle Wolken aufzogen, beendeten wir 14:45 Uhr unsere Mittagspause. Schließlich wollten wir bei einem drohenden Unwetter nicht am exponiertesten Punkt des Gebirgszugs unterwegs sein. Wir schlugen dann den alternativen Wanderpfad zu unserem in der Mittagspause festgelegten Etappenziel Rifugio Tenente Giuseppe Fabbro ein. Der eigentliche Weg würde normalerweise über einen großen Umweg über das Rifugio Fratelli De Gasperi führen. Diesen Weg wollten wir aufgrund Patricks angeschlagenen Zustands allerdings nicht auf uns nehmen.
Und schon wieder Regen…
Nur 5 Minuten später nachdem wir aufgebrochen waren fielen bereits die ersten Regentropfen. Vom morgendlichen Sonnenschein war somit nichts mehr zu sehen. Wir legten daher den Rucksäcken jeweils den Regenschutz an und zogen uns unsere Regenkleidung an. Aus Sicherheitsgründen hatte ich glücklicherweise eine Hardshelljacke dabei, obwohl für unseren Tourzeitraum eigentlich kein Regen vorhergesagt war.
Aus den anfänglich kleineren Regentropfen wurde innerhalb von 2 Minuten ein starker Regen. Meine Hose war innerhalb weniger Momente sofort durchgeweicht und bevor der Regen über die Beine in die Schuhe zu laufen drohte, suchten wir unter einem größeren Nadelbaum Schutz vor dem Regen. Es dauerte einige Zeit bis sich der Regen durch den Baum gearbeitet hatte und wir dann doch wieder nass wurden. Allerdings konnten wir so einige Zeit überbrücken. Wir wechselten anschließend zu einem noch größeren Nadelbaum, der aufgrund zusätzlicher Äste noch etwas mehr Regen abhielt. Auch dort tropfte der Regen dann irgendwann durch die Nadelbaumzweige aber da wir keinen besseren Unterschlupf in der Umgebung erspähen konnten, warteten wir dort auf das Ende des Regens. Nach 40 Minuten tröpfelte es nur noch und ein herrlicher Geruch von Natur und Regen lag in der Luft. Die nasse und durch die Umgebungstemperatur kühle Hose klebte an meinen Oberschenkeln. Nun hieß es Bewegung, Bewegung, Bewegung, damit die Beine wieder warm werden und die Hose durch die Körperwärme trocknet. 1,8 km und 320 Höhenmeter Abstieg später stießen wir wieder auf den regulären Weg, der vom Rifugio Fratelli De Gasperi zum Rifugio Tenente Giuseppe Fabbro führte. Auch die Sonne ließ sich mit ein paar Sonnenstrahlen blicken, so dass wir eine Pause einlegten und unsere Ausrüstung zum Trocknen ausbreiteten.
Notbiwak im Kuhstall
Die nächsten 4,3 km waren mit 120 Höhenmeter bergauf und 270 Höhenmeter bergab ein entspannter Spaziergang. Der Weg war ein für Autos angelegter Forstweg und somit sehr gut passierbar. Allerdings hatte Patrick immer mehr mit sich zu kämpfen, so dass unsere Geschwindigkeit selbst auf gerader Strecke enorm abgenommen hatte und wir immer wieder kleine Pausen einlegen mussten. Nachdem ich anfangs noch damit gerechnet hatte, dass wir es noch kurz vor der Dunkelheit bis zum Rifugio Tenente Giuseppe Fabbro schaffen würden, war mir im weiteren Verlauf klar, dass dies bei diesem Tempo nicht mehr machbar ist.
Nachdem Patricks Kreislauf nahezu am Boden war, legten wir eine weitere längere Pause an einer Wasserquelle ein. Während Patrick sich versuchte zu erholen, suchte ich den richtigen Wanderweg. Denn wir waren ca. 100 m abseits von der eigentlichen Strecke. Ob wir nun eine Wegmarkierung übersehen hatten oder es möglicherweise erst gar keine Markierung gab wird allerdings ein Rätsel bleiben. Ich stapfte also bergauf quer durch hoch gewachsenes Gebüsch und folgte einfach dem GPS-Signal. Der Aufstieg war mühsam aber am Ende kam ich auf dem richtigen Weg heraus. Somit stieg ich den Berg wieder hinab, um Patrick und meinen Rucksack aufzusammeln. Patrick ging es zwar nicht besser aber an dieser Stelle nicht weiter zu laufen war keine Option. Mit kleineren Pausen folgten wir dem Forstweg und durchquerten einen Wald. Inmitten des Waldes tat sich eine riesige Weide auf, die wir passieren durften. Diese vom dunklen Wald umgebene und von Bergen eingerahmte, hellgrün leuchtende Weide war eine unerwartete und vor allem schöne Abwechslung.
Am Ende der Weide stand ein alter verlassener Kuhstall, dessen Gebäude U-förmig angelegt war. Gegenüber des Kuhstalls stand ein 2-stöckiges Gebäude, das damals vermutlich von den Bauern genutzt wurde. Auf der Karte wurden diese Gebäude unter der Bezeichnung Casera Campo geführt. Ein wirklich schöner Ort zum Pausieren. Nachdem wir den Ort 18:00 Uhr erreicht hatten, legte sich Patrick auf die Bank. Ich erkundete in der Zwischenzeit die alten Kuhställe. Bis zum Rifugio Tenente Giuseppe Fabbro lagen noch 4,3 km vor uns und in einer Stunde würde die Dämmerung einsetzen.
Nach 30 Minuten Pause kam Patrick aufgrund des kreislaufbedingten Schwindels und Sehnenschmerzen jedoch zum Ergebnis, dass ein Weiterlaufen nicht mehr möglich ist. Da wir bei unserer aktuellen Geschwindigkeit in der Dunkelheit hätten gehen müssen, war dies die einzig sinnvolle Entscheidung. Somit planten wir an dieser Stelle ein Notbiwak. Wir hatten für den Fall der Fälle wenige Meter weiter direkt einen Fluss zur Wasserversorgung und aufgrund der Weidelandschaft relativ ebene Rasenflächen zum Aufstellen des Zelts. Nachdem ich die Kuhställe im Detail betrachtet und eine einigermaßen geeignete Stelle im Kuhstall ausfindet gemacht hatte, fiel die Entscheidung ohne Zelt im Kuhstall zu schlafen. Solch einen Schlafplatz hatte ich bisher auch noch nicht.
Der Aufbau des Nachtlagers war relativ schnell erledigt. Schließlich mussten wir nur den Boden von spitzen Steinchen befreien, die Isomatten aufpusten und den Schlafsack ausrollen. Nachdem wir noch eine Kleinigkeit gegessen hatten, legten wir uns 20:00 Uhr in unsere Schlafsäcke. Schließlich war es 20:00 Uhr bereits komplett dunkel. Nur 45 Minuten später schliefen wir bereits tief und fest, um neue Energie zu sammeln.