Heute stand für Phil und mich die lang ersehnte Besteigung des Bergs Iwate-San an, für die wir gestern alle Vorbereitungen getroffen haben. Die Tour sollte zu einem größeren Erlebnis werden als ursprünglich gedacht.
Frühstück mit Hürden
Mein Wecker klingelte bereits 5:55 Uhr, denn heute stand die Besteigung des Iwate-San an. Daher wollten wir das Frühstücksbuffet so zeitig wie möglich wahrnehmen, da wir möglichst zeitig mit der Bergbesteigung starten wollten. 6:15 Uhr standen wir also pünktlich zur Eröffnung des Buffets an der noch geschlossenen Tür. Als man uns sowie das hinter uns stehende japanische Pärchen bemerkte, wurde die Tür hektisch geöffnet und jeder Mitarbeiter besetzte seine Position.
Diesmal gab es 2 Stationen beim Buffet, bei denen aus 3 Gerichten gewählt werden konnte und das gewählte Gericht anschließend frisch für einen zubereitet wurde. Somit gab es früh am Morgen die ersten Kommunikationsübungen auf Japanisch. Anschließend konnte ich den Reiskocher nirgends finden, so dass ich das Personal nach dem Standort des Reiskochers fragte. Da stellte sich heraus, dass der Reis nicht aus einem großen Reiskocher entnommen werden musste sondern an einem Reisspender. Hierbei handelt es sich um ein Gerät, auf dessen Display die gewünschte Reismenge in 50 Gramm Schritten gewählt werden konnte und dann fiel die gewünschte Reismenge einfach in die vorher untergestellte Reisschale. Wenn das nicht die Zukunft ist!
Anreise mit dem Taxi zum Iwate-San
7:00 Uhr stand das von der Rezeption vorbestellte Taxi vor dem Hotel bereit. Als wir überpünktlich das Hotel verließen stürzte der Taxifahrer von der anderen Straßenseite direkt auf uns zu. Vermutlich hatte die Rezeption eine Info an den Taxifahrer weitergegeben, dass es sich um ausländische Gäste handelt und somit waren wir ziemlich einfach zu erkennen. Da ich das Taxifahren in Japan bisher immer gemieden habe, war nun die Zeit gekommen auch das Taxifahren mal auszuprobieren. Nachdem wir unser Gepäck verladen hatten, durften wir einsteigen. Allerdings wird es nicht gern gesehen, wenn die Türen des Taxis einfach selbstständig geöffnet und geschlossen werden. Die hintere linke Tür ist eine Automatiktür, die vom Taxifahrer für den Fahrgast automatisch geöffnet und nach dem Einsteigen wieder automatisch geschlossen wird. Phil setzte sich dann auf den linken hinteren Platz und mir wurde die hintere rechte Tür persönlich vom Taxifahrer geöffnet. Nachdem ich Platz genommen hatte wurde die Tür vom Taxifahrer geschlossen. Auch hier zeigt sich wieder, dass Japan das Thema Dienstleistung verinnerlicht hat und einfach lebt.
Mit dem Taxi ging es dann zum Trailhead des Iwate-San. Der Start der Fahrt wurde mit 600 ¥ (ca. 3,80 €) berechnet. Dieser Preis steht bei jedem Taxi an der Scheibe, so dass von vornherein transparent ist was bezahlt werden muss. Die Abrechnung der gefahrenen Kilometer erfolgt für europäische Verhältnisse etwas ungewohnt. Pro 298 gefahrene Meter müssen 100 ¥ (ca. 0,63 €) gezahlt werden. Auch längere Wartezeiten wie bspw. an Ampeln werden mit 100 ¥ berechnet. Im Vergleich zum ÖPNV werden Taxis in Japan als sehr teuer angesehen und daher nicht empfohlen. In unserem Fall war eine anderweitige Anreise zum Trailhead allerdings nicht möglich, so dass wir froh waren, dass uns ein Taxi überhaupt raus in die Wildnis fährt. Im preislichen Vergleich mit Berliner Taxis sind Japanische Taxis in Abhängigkeit zum Wechselkurs ungefähr gleichauf. Von daher hat mich der Preis in Höhe von 7.400 ¥ (ca. 47,00 €) nicht überrascht. Hinsichtlich der Bezahlung einer Taxifahrt ist uns Japan ebenfalls Lichtjahre voraus, denn neben Bargeld werden auch VISA, MasterCard und American Express unterstützt, alle in Japan gängigen IC-Karten sowie unzählige kontaktlose Zahlungsmöglichkeiten wie bspw. PayPay oder R Pay.
Besteigung des Iwate-San
Gegen 7:45 Uhr erreichten wir dann den Trailhead. Nachdem wir unsere Trekkingstöcke vorbereitet und die Getränke am Rucksack verstaut hatten, ging es kurz vor 8:00 Uhr los. Wir hatten uns explizit für so einen zeitigen Start entschieden, da heute eine äußerst herausfordernde Tour vor uns stand. Einerseits war die Bergbesteigung vom Weg her als schwer eingestuft und andererseits mussten wir heute 1.400 Höhenmeter hoch und wieder runter zurücklegen. Das an sich ist schon eine ziemliche Hausnummer und übertraf die beiden vorherigen Bergbesteigungen noch einmal deutlich. Da in Japan die Dämmerung bereits 18:00 Uhr einsetzt, hatten wir nun ein Zeitfenster von 10 Stunden. Die offizielle Zeitangabe für die komplette Bergbesteigung lag bei knapp 8 Stunden. In der Regel sind hierbei aber keine größeren Pausen eingerechnet. Inklusive einiger Pausen verblieb noch ein Puffer aber letztendlich durften keine größeren Probleme auftreten. Der zeitige Start um 8:00 Uhr war somit essentiell, damit diese Tour überhaupt ohne ein größeres Risiko durchgeführt werden konnte.
Die Route unterteilte sich in 9 Stationen (die teilweise auch noch in 0,5 Schritten unterteilt wurden), gefolgt vom eigentlichen Ziel in Form des Berggipfels. Vom Trailhead bis zur Station 2.5 war der Weg relativ einfach wenn auch zeitweise etwas steil. Durchquert wurde vor allem Waldgebiet, mit nassem und teilweise rutschigem Mutterboden. An der Station 2.5 teilte sich der Weg in einen neuen und einen alten Weg. Wir entschieden uns für den alten Weg, da dieser eine bessere Aussicht gewähren sollte. Ab da an stieg der Schwierigkeitsgrad ordentlich an. Der Berg wurde so richtig steil, so dass wir uns steinige Passagen hochkämpfen oder aber auch Geröllpisten überqueren mussten. Aufgrund des Schwierigkeitsgrads und des steilen Anstiegs haben wir für eine Strecke von 1,6 km und 673 Höhenmeter ganze 2 Stunden und 15 Minuten gebraucht.
Nach diesem Abenteuer war der schwierigste Abschnitt geschafft und die Station 7 erreicht. Von dieser Station bis zur Station 8 führte ein relativ einfacher Weg mit einem sehr leichten Anstieg. An der Station 8 wartete dann eine größere Hütte auf uns, an der unter anderem heißer Kaffee verkauft wurde. Neben einer Toilette gab es vor der Hütte ausreichend Sitzgelegenheiten sowie eine Wasserquelle, an der einige Wanderer ihre Trinkwasservorräte auffüllten. Von der Station 8 ging es dann über die Station 9 hoch bis zum oberen Rand des Vulkankraters. Der Aufstieg zum Vulkankrater sollte aber noch einmal richtig fordernd werden. Dies lag primär am losen Vulkangestein, wodurch es unmöglich war einen festgetreten Weg zu laufen. Somit kämpften wir uns durch das lose Geröll und rutschten mit jedem Schritt wieder einen halben Schritt den Berg hinab. Der Aufstieg zog sich daher ein wenig hin. Hinzu kam, dass wir mittlerweile in dicken Wolkenschichten unterwegs waren. Die Sichtweite war somit zeitweise stark eingeschränkt und auch der Wind drückte enorm. Einen kleinen Einblick ermöglicht euch das folgende Video.
Nach 5 Stunden Aufstieg erreichten wir dann den Gipfel Yakushi des Iwate-San. Mit 2.038 Meter ist dies der höchste Punkt des Iwate-San. Um den Gipfel zu erreichen mussten wir vorher einen Teil des Vulkankraters entlanglaufen. Größtenteils liefen wir in den Wolken, so dass das Sichtfeld stark eingeschränkt war. Zeitweise hatten wir allerdings auch Glück und konnten zwischen einzelnen Wolken auf die Erde gucken und einen epischen Ausblick auf umliegende Städte, Berge und Flüsse werfen. Kein Foto kann dies wiedergeben und der Ausblick hat mich nachhaltig begeistert.
Temperaturtechnisch waren heute am Trailhead 33 °C. Mit dem zunehmenden Aufstieg nahm die Temperatur natürlich ab. Am oberen Rand des Vulkankraters lag die Temperatur nur noch bei 15 °C. Durch den starken Wind lag die gefühlte Temperatur allerdings bei ca. 10 °C. Von daher waren die meisten gut eingepackten Japaner vermutlich verwundert, warum ich da nur mit einem Tank Top und kurzer Hose herumlaufe. Schon bei der Station 7 wurde ich bereits gefragt, ob mir denn nicht kalt sei. Zu dem Zeitpunkt konnte ich allerdings nur erwidern, dass mir ziemlich heißt ist. Auf der Spitze des Iwate-San trafen wir auf einen Japaner mit sehr guten Englischkenntnissen, so dass wir uns dort gute 15 Minuten mit ihm austauschten. Ohne Bewegung wurde es dann doch etwas frisch. Neben diesen Begegnungen hatte ich heute mit so vielen netten gleichgesinnten Japanern kürzer und auch längere Unterhaltungen, wodurch die ohnehin schon besondere Bergbesteigung noch mehr in Erinnerung bleiben wird.
13:15 Uhr traten wir dann den Rückweg an. Schritt für Schritt kämpften wir uns nach unten. Der Abstieg verlief allerdings deutlich langsamer als gedacht. Den ursprünglich steilen Anstieg mussten wir nun vorsichtig wieder absteigen. Insbesondere, da wir darauf achten mussten, dass wir unsere Sehnen rund um die Knie nicht überlasten und dann mit starken Schmerzen laufen müssen. An der Station 7 entschieden wir uns dazu den neuen Weg für den Abstieg zu wählen. Dies stellte sich mit der Zeit aber als nicht so sinnvoll heraus. Der Weg führte größtenteils durch einen Tunnel von Sträuchern und kleinen Bäumen, so dass wir viel mit eingezogenem Kopf laufen mussten. Zudem bestand der Weg aus hunderten großen Felsbrocken, die den Abstieg unnötig kompliziert gemacht haben. Auch war der Weg mit viel feinem Gestein und Sand bedeckt, wodurch die Rutschgefahr deutlich erhöht war. Dies führte dazu, dass Phil und ich mehrfach wegrutschten und dann auf unserem Arsch landeten. Passiert ist uns aber zum Glück nichts Ernsthaftes. 17:40 Uhr erreichten wir kurz vor Einbruch der Dunkelheit überglücklich wieder den Trailhead.
Das Taxi für die Rückfahrt war für 19:00 Uhr bestellt. Somit mussten wir noch einige Zeit warten. Während wir warteten, kam ich noch mit einem Japaner ins Gespräch. Dieser erzählte uns, dass er auf der Fahrt zum Trailhead eben einen Bären gesehen hat. Da war es natürlich ein wenig beunruhigend, dass wir nun allein in der Dämmerung mitten im Nichts noch 1 Stunde auf unser Taxi warten mussten. Ich hielt meine Augen offen, konnte aber während unserer Wartezeit keinen Bären erspähen. Glücklicherweise kam unser Taxi dann 35 Minuten zu zeitig, so dass wir vor der völligen Dunkelheit die Rückreise zum Hotel antreten konnten. Im Hotel angekommen gab es zur Belohnung erst einmal ein heißes Bad.