Aus dem Leben eines Abenteurers
 
Tag 2 (2/2): PR14 „Levada dos Cedros“

Tag 2 (2/2): PR14 „Levada dos Cedros“

Sperrung des PR14 „Levada dos Cedros“

[…] 15:50 Uhr erreichte ich dann das Ende von PR15 und stand direkt vor dem abgesperrten Anfang von PR14 „Levada dos Cedros“. In Porto Moniz nutzte ich im Tourist Information Center die Gelegenheit, um nach der genauen Ursache der Sperrung von PR14 „Levada dos Cedros“ zu fragen. Wie vermutet gab es einen Erdrutsch, so dass der Weg nicht mehr passierbar war. Welches Ausmaß der Erdrutsch hatte konnte allerdings nicht gesagt werden. Daher erarbeitete ich mit der Dame im Tourist Information Center eine Alternativstrecke, die allerdings auch einige Straßenabschnitte enthielt. Weniger schön, schließlich wollte ich nicht auf einer Straße spazieren gehen.

Sperrung des PR14 "Levada dos Cedros"
Sperrung des PR14 „Levada dos Cedros“

Als ich so vor dem Absperrband stand und sah, dass die Levada noch floss, entschied ich mich spontan dazu, doch den PR14 „Levada dos Cedros“ zu laufen. Wenn die Levada noch fließt, dann kann der Erdrutsch ja nicht so gravierend sein. Notfalls würde ich halt meine Schuhe und Socken ausziehen und in der Levada laufen. In Nepal hatten wir einen Erdrutsch der bestimmt 20-50 m des Weges weggerissen hatte und auch die Hürde hatten wir gemeistert. Allerdings war mir auch das Risiko bewusst, dass ein Teil der Levada möglicherweise mit einer Wasserleitung überbrückt wurde und ich tatsächlich umkehren müsste. In diesem Fall würde das Problem der drohenden Dunkelheit immer größer werden, desto weiter hinten der Erdrutsch auf dem Weg stattgefunden hat. Mit einer genauen Gefahrenabschätzung und dem Ziel das Abenteuer noch etwas abenteuriger zu machen kletterte ich also durch die Absperrung und startete den 6,8 km langen PR14, der den Namen „Levada dos Cedros“ trägt.

PR14 „Levada dos Cedros“

Der Wanderpfad PR14 „Levada dos Cedros“ führt durch ein urtümliches und gut erhaltenes Waldgebiet, das aus sehr vielen Lorbeerbäumen sowie Lorbeerarten besteht und daher von der UNESCO zum Weltnaturerbe erklärt wurde. Die ersten paar Kilometer bestanden aus einem recht angenehmen Weg und einem leichten Auf und Ab. Auch hier trat die Levada aufgrund der vielen Regenfälle an einigen Stellen über den Wasserlauf und überschwemmte den Weg. War ich froh, dass ich dichte Schuhe mit hohen Sohlen hatte. Es hörte sich an, als würde ich durch einen Sumpf waten. Das reinste Paradies für Kleinkinder. Die Natur war wie auch beim PR15 einfach herrlich. Ein dichter Wald, aus dem einige skurrile Vogellaute drangen.

PR14 "Levada dos Cedros"
PR14 „Levada dos Cedros“

Durch die dauerhafte Feuchtigkeit waren einfach alle Bäume und Steine mit einer Moosschicht überzogen. Ein interessanter Anblick. Es hat mich immer wieder dazu verleitet, das weiche Moos an den Steinwänden anzufassen. Nur waren die Hände danach immer nass. Interessant war auch eine parasitär anmutende Pflanze, die an meist toten Bäumen wuchs und aussah, wie ein weißes Adergeflecht. Einige Bäume waren davon komplett überzogen. Es sah schon ein wenig so aus, als wären sie eingeschneit. Ab und an gab das Dickicht freien Blick auf das Tal – ein toller Ausblick. So bot sich mir auch der Anblick von Sonnenstrahlen, die die dicke Wolkendecke durchbrachen.

Das Adrenalin und die Ungewissheit, ob ich den Weg wirklich vollständig laufen kann trieb mich an und ließ mich unterbewusst wesentlich schneller laufen als ich es normalerweise tun würde. Nach einer Stunde war noch immer nichts von einem Erdrutsch zu sehen und ich rechnete schon hin und her, wie ich mit der Zeit hinkommen würde, wenn ich jetzt umdrehen müsste. Das Erreichen des Zeltplatzes bei Tageslicht wäre definitiv nicht mehr drin, so dass ich irgendwo auf dem Weg zelten müsste. Umso mehr hoffte ich, dass ich den Erdrutsch passieren könnte. Gute 15 Minuten später und somit fast genau in der Mitte des Weges, stieß ich auf eine Stelle an der ca. 3 Meter des Weges abgerutscht waren. Die Levada war jedoch wie vermutet noch intakt. Neben der Levada laufen war aufgrund des losen, durchweichten und steil abgehenden Erdreichs keine Option auch wenn es auf den Fotos eher unspektakulär aussieht. Somit blieb nur die Option auf der teilweise unterhöhlten Levada zu balancieren. Ein großer Ast erschwerte dieses Unterfangen und sorgte für einige Verrenkungen meinerseits. Auch der schwere Rucksack machte es mir nicht einfach. Am liebsten hätte ich den Rucksack separat auf die andere Seite befördert, nur gab es keine Möglichkeit dies zu bewerkstelligen. Somit krallte ich mich soweit es ging an die Bergwand und balancierte auf der Levada entlang, während ich mich unter dem Ast herumschlängelte. Obwohl die Levada unterhöhlt war, hat sie glücklicherweise mein Gewicht getragen.

PR14 "Levada dos Cedros" - Erdrutsch
PR14 „Levada dos Cedros“ – Erdrutsch

Nachdem ich den Erdrutsch passiert hatte, hoffte ich, dass es das nun gewesen sei. Nicht dass es weiter hinten noch einen wesentlich schlimmeren Erdrutsch gab. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf, hielt ich permanent Ausschau nach potentiellen Zeltplätzen. Diese konnten in der Tat an einer Hand abgezählt werden. Positiv gestimmt, lief ich weiter und genoss die vielen Wasserfälle die immer wieder links vom Weg auftauchten. Ein Aussichtspunkt lud zu einer etwas längeren und vor allem meiner ersten Pause ein. Zu sehen gab es Wolken, die so tief hingen, dass sie Bäume in den höher gelegenen Wäldern verschluckten. Wie nicht anders zu erwarten waren auf dem Weg keine frischen Spuren zu entdecken, da der Weg nun schon seit 2 Monaten abgesperrt ist. Interessanterweise waren aber immer wieder sehr schwache Fußabdrücke einer Person zu sehen, die den Weg vor vielen Tagen ebenfalls einmal gegangen sein muss. Obwohl noch nicht einmal 19:00 Uhr war, wurde es zunehmend dunkler, da das Dickicht dermaßen viel Licht schluckte. Irgendwann erreichte ich dann tatsächlich den Schluss des Weges, wobei nochmal 250 Höhenmeter bergauf laufen anstand. Insgesamt waren das über 600 Treppenstufen, die die letzte Kraft aus meiner Beinmuskulatur saugten. Schleichend erklomm ich Stufe für Stufe und versuchte so viel Sauerstoff wie möglich einzuatmen. Nach 2:30 Stunden erreichten ich dann endlich das Ende der „Levada dos Cedros“ – eine halbe Stunde eher als auf den Informationsschildern angegeben.

Weitere Impressionen des Tages – Teil 1 (Teil 2 folgt weiter unten)

Zelten im nebligen Fanal

Vom Ende des Weges bis hin zum Zeltplatz waren es nochmal 500 Meter und dann stand ich endlich in Fanal. Einem kleinen Vulkankrater, der zum Natur- und Erholungsgebiet erklärt wurde. Die Umgebung unterschied sich durch die weitläufigen flachen Ebenen und den jahrhundertealten Stinklorbeerbäumen deutlich vom Rest der heutigen Strecke. Ein herrlicher Ort um sein Zelt aufzuschlagen. Wer sich unter dem Begriff Zeltplatz jetzt eine gut ausgestattete Urlaubsanlage vorgestellt hat, der irrt. Auf Madeira bedeutet der Begriff Zeltplatz, dass es eine flache Wiese gibt auf der ein Zelt aufgestellt werden kann und im Idealfall eine Wasserversorgung in Form eines Wasserhahns vorhanden ist. In einigen Fällen existiert noch eine Feuerstelle, an der man sich wärmen oder sein Essen kochen kann. Dann hört es aber auch schon auf. Toiletten oder Duschen gehören schon zum Luxus und sind nirgends zu finden. Während ich mich auf dem Zeltplatz ausbreitete zog ein immer stärker werdender Wind auf. Es wurde zunehmend eisiger so dass ich mir alle Kleidungsschichten anzog die ich zur Verfügung hatte: Funktionsunterwäsche, T-Shirt, Fleecejacke und Softshelljacke. Neben dem stärker werdenden Wind zog ein immer dichterer Nebel auf. Das sah schon fast unheimlich aus. Dieses düstere, runtergekommene Haus am Anfang des Zeltplatzes und dann der immer stärker werdende Nebel, der das Haus zunehmend verschlang. Und dann ich allein auf dem Zeltplatz.

Fanal
Fanal

Ich suchte mir eine windgeschützte Ecke und baute erst einmal mein Zelt auf. Danach machte ich mich ans Essen kochen. Es gab Kartoffel-Lauch-Topf mit Schinken. Das hat sogar ganz gut geschmeckt. Wie Kartoffelbrei mit kleinen Schinkenwürfeln. Aber was musste ich feststellen, als ich essen wollte?! Ich Depp hatte vergessen einen Löffel einzupacken. Dabei hatte ich während meiner Planung extra daran gedacht, hatte ihn aber nicht auf die Packliste geschrieben. Aus den Augen aus dem Sinn. Und wehe hier schreit jetzt jemand auf (ich kenne euch doch!), ihr hattet alle die Möglichkeit mich daran zu erinnern, da ich meine Packliste online gestellt hatte. Ihr tragt alle eine Mitschuld ;D. Nun gut, den Kartoffelbrei konnte man einfach nach oben drücken und dann aus der Tüte heraussaugen. Bequem war das nicht aber besser als mit den Händen zu essen. Mit dem Eintritt fast völliger Dunkelheit war ich dann fertig mit Essen und zusammenräumen. Der Nebel und die Dunkelheit sorgten dafür, dass ich bei angeschalteter Stirnlampe keine 2 Meter mehr sehen konnte. Nun wurde mir auch klar, warum überall gewarnt wurde, dass in dieser Region eine hohe Gefahr von Orientierungsverlust besteht. 20:15 Uhr kroch ich dann in meinen Schlafsack, schrieb die Stichpunkte für diesen Text und wollte dann gegen 21:00 Uhr schlafen. Der erste Wandertag war ein voller Erfolg, ich habe sehr viel schöne Natur gesehen und auch mein Mut den PR14 zu laufen wurde belohnt.

Weitere Impressionen des Tages – Teil 2

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